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Der ganze Auftritt "klang wie Arsch und Friedrich". Dieser Satz des Schlagertexters Ralph Siegel ging durch die Presse. War doch dessen - für Deutschland gestartetes Liedchen - "I Can t Live Without Music" mit seiner Interpretin Corinna May kläglich vor dem europäischen Millionen-Publikum durchgefallen. Vorher künstlich zum Favoriten hochgelobt, landete der Beitrag aus Deutschland auf dem viertletzten der 24 Plätze des zum "Eurovision Song Contest" anglisierten Schlager-Grand-Prix, diesmal in Estlands Hauptstadt.
"Die Sprache ist Ausdruck der Kultur", meinte der Stammtisch im Deutschen Haus . Kultur habe man - oder man habe sie nicht, hieß es. Zu ihr stehe man - oder eben nicht. Darum erschien es dem Stammtisch nicht verwunderlich, daß ein anderer erle- sener Vertreter der vergammel-ten Unterhaltungsindustrie, der Schlagersänger Dieter Bohlen, im Jargon der Branche dem "großen" Ralph Siegel riet: "Mach lieber Sex statt Musik."
Der Stammtisch hingegen meinte: "Singt lieber deutsch statt englisch!" Nur rund ein Viertel der nach Estland angereisten Interpreten habe in seiner Muttersprache gesungen, darunter die Franzosen, die Türken und eine französischsprachige Schweizerin. Alle anderen hätten mehr oder weniger schlechtes Englisch geboten. Wer aber seine Gefühle erst übersetzen müsse, unterwerfe sich einer Gleichschaltung, die alles andere als europäisch sei und nur noch flach und peinlich wirke.
Ein solches Europa wollen wir nicht, hieß es am Stammtisch. Für ihn hat es darum beim Europäischen Schlagerwettbewerb eine rote Karte für ein englischsprachiges Lied aus Deutschland gegeben und nicht für ein deutsches Lied.
Zauberlehrlings
Pilgerfahrt
In das Heil ge Land zu wallen
sorgt seit je für Wohlgefallen,
zeitigt Absolutionen,
die den Pilgersmann belohnen,
säubert böse Seelenflecken,
die in Ecken sich verstecken,
und für ultraweiße Westen
ist jetzt Ariel am besten.
Darum walle, weiche Welle,
daß den Mölle man verbelle;
daß zum Zwecke Stimmen fließen
und in Urnen sich ergießen,
dulde Qualen für die Wahlen,
folge Reue-Ritualen,
bis vor deutscher Fernsehröhre
"Gehe hin in Fried " man höre.
Doch der Zauber - wehe, wehe -
fällt dem Lehrling auf die Zehe:
Blutbefleckte Hand zu schütteln
läßt am Wählerglauben rütteln,
riecht suspekt nach Ablaßhandel,
bringt indes statt Sinneswandel
bei den Räten und Parteien
noch mehr Spiegelfechtereien!
Mit Gefeilsch um Kandidaten,
Riesenwellen und Spagaten
wird Prozente Maximieren
ganz gewiß im Rohr krepieren,
denn bedrängt von Fremdgewalten
wirkt der Büßer so gespalten
wie bei Goethe bloß der Besen,
außer Spesen nichts gewesen.
Gonzalo de Braganza |
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