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Wenn der Herbst kommt und Sturm und Regen unbarmherzig um den Dachfirst brausen, erinnere ich mich immer gern an daheim. Um diese Zeit war die Feldarbeit vorbei, Scheune, Keller und Steintöpfe gefüllt. In den Kachelöfen prasselte das Feuer und der Andrang auf der Ofenbank nahm zu. Aus der Röhre duftete es nach Bratäpfeln und aus der Küche nach manchem Gericht, das wegen längerer Vorbereitungszeit sommerüber nicht auf den Tisch gekommen war, weil die viele Feldarbeit dem entgegengestanden hatte. Aufgeschoben worden war auch eine Menge Flickarbeiten. Sie füllten nun weitgehend die Nachmittage von Mutter und Großmutter. Manchmal kam auch eine Nachbarin mit einem Strickstrumpf dazu. Und alles ging bei fröhlichem Geplauder leicht von der Hand.
Waren die Flickarbeiten beendet, wurde an die Neuschöpfungen gedacht. Das begann mit einem großen Beutel geschorener, gewaschener Schafwolle, die zunächst zu duftigen, wolkigen Bauschen getockt wurde, wozu sich, wie Großmutter immer sagte, Kinderfinger besonders gut eigneten. Das stand wie ein Gesetz neben dem Rohmaterial, wenn manchmal auch Lust und Ausdauer fehlten. Nach dem Tocken wurde die Wolle gekemmelt, und schon konnte das Spinnrad surren. Und dann gab es auch schon bald eif-riges Stricknadelgeklapper.
Auch die Scheren wurden an manchem Nachmittag länger in Bewegung gesetzt, und zwar zur Vorarbeit für andere Schöpfungen. Aus alten Kleidungsstücken wurden ungefähr zwei Zentimenter breite Streifen geschnitten, aus denen auf dem Webstuhl, der in einer sonst ungenutzten Stube stand, bunte Flickendecken entstanden.
Ging es dem Totensonntag entgegen, wurde mit dem Fertigen von Grabschmuck begonnen. Dazu wurden aus Buntpapier kleine Quadrate geschnitten, und zwei der nebeneinanderliegenden Ecken bis zur Hälfte der Seitenlinie auf Stricknadeln ge- wickelt. Das Gewickelte wurde dann zusammengeschoben, so erhielt man, wenn man das glatte Ende etwas raffte, ein Rosenblatt. Davon wurden dann mehrere zusammengefügt und zu einer Rose gebunden. Auf Tannenzweigen zusammen mit lackierten Tannenzapfen aufgebracht, ergab sich ein liebevoll gefertigter ansehnlicher Grabschmuck für den Winter. Und das Gefühl, für die verstorbenen Angehörigen etwas getan zu haben, stand dabei noch für sich.
Auch die Männer verbrachten die Tage nicht müßig. Sie flochten Körbe, fertigten Schlorren und Holzschuhe (Dippkes), Schwengel und Traghölzer. Sielen und Zaumzeug wurde geflickt. Holz wurde gesägt und gehackt. Kleine Stücke für den Küchenherd, lange Spalthölzer für die Kachelöfen. Klobenstücke für den Backofen.
In der Dämmerung wurde zum letzten Mal beschickt. Waren die Tiere versorgt, dann gab es Abendbrot. Anschließend fanden sich die Familienmitglieder nach und nach in der Stube ein. Es wurde viel erzählt. Auch Kriegs- und Spukgeschichten schlichen sich immer wieder ein und ließen so manches liebe Mal die Gänsehaut wachsen.
Von Sehenden (Zweites Gesicht) und von der Mar war die Rede, und von vielem Undeutbaren mehr. Wenn man vor dem Schlafengehen dann den Herbstwind in dem breiten Schornstein heulen hörte, war das Sich- geborgen-Wissen im Schoße der Familie schon etwas, das zählte. Als erfreulich erwies sich auch, daß um diese Zeit schon auf manche heimliche Weihnachtsvorbereitung zu schließen war.
Schön und anheimelnd waren sie, die Spätherbsttage in der Heimat, denen der Schein der Petroleumlampe in der Erinnerung besondere Gemütlichkeit verlieh. |
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