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Standardwerk unter den Reiseführern aktualisiert

 
     
 
Für viele Jahre - fast Jahrzehnte - war in Deutschland das Thema Ostdeutschland Tabu. Wer das Wort trotzdem aussprach, erntete Stirnrunzeln ob der lauteren politischen Gesinnung oder zumindest mitleidiges Lächeln, wenn man sich traute, die Kollegen-Frage nach dem nächsten Sommerurlaub zu beantworteten mit "nach Ostdeutschland ..." Wie konnte man nur freiwillig in ein Land fahren, in dem man zu Zeiten des Zwangsumtausches sogar Schwierigkeiten hatte, sein Geld auszugeben! Klar - auf Sylt war das immer einfacher - auch heute noch!

Freilich, manches hat sich in den letzten Jahren geändert. Wie von Zauberhand taucht das Land der dunklen Wälder in der deutschen Wahrnehmung plötzlich wieder auf, sei es durch publikumswirksame Bücher von Nobelpreis
trägern, durch unzählige Fernsehdokumentationen oder sogar durch nette Spielfilmchen zur besten Sendezeit.

Wie so oft im Leben, kommt dieser Wandel nur leider fast zu spät, denn bald wird man keinen mehr fragen können, der das alte Ostdeutschland noch in seiner eigenen Kindheit erlebt hat. Und somit ergeben sich für den "Ersteinsteiger" eine Unzahl von Fragen: Gibt es "da" überhaupt Hotels, wie finde ich das Dorf meiner (Groß-)Eltern und komme ich am Ende überhaupt wieder mit dem eigenen Auto heim?

Keine Frage - spätestens jetzt ist guter Rat gefragt. Ein Weg in die nächste Buchhandlung zeigt, daß auch hier das Thema Ostdeutschland keine Mangelware mehr ist. Allerdings trennt sich auch jetzt die Spreu vom Weizen! Eilig auf Papier hingeworfene Aufzählungen der Hauptsehenswürdigkeiten, angereichert mit ein paar bunten "Hinguckern" mögen zwar die neue Marktlücke füllen. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich solche Schriften jedoch oft als schlichtes "Ärgernis".

Nicht immer beruht die Mangelhaftigkeit der Produkte dabei übrigens auf überkommenen ideologischen Scheuklappen; immer häufiger sind es schlicht mangelnde historische, kulturelle und geographische Kenntnissen des Landes, die zu gravierenden Fehlern führen. Die häufig anzutreffende "Reise nach Masuren", die in Wirklichkeit gar nicht nach Masuren, sondern nach Allenstein (Ermland!) oder nach Königsberg führt, ist noch ein eher harmloses Beispiel.

Wer jedoch das südliche Ostdeutschland in all seiner Vielfältigkeit und mit seiner traumhaften Landschaft wirklich entdecken und kennenlernen will, dem sei der "Reiseführer Ostdeutschland, Polnischer Teil - Westpreußen und Danzig" von Gerd Hardenberg ans Herz gelegt. Soeben ist dieser Reiseführer aktualisiert als 11. Auflage im Verlag Rautenberg in seiner typisch handlichen Form (ideal für das Handschuhfach!) erschienen. Mit fast 62.000 gedruckten Exemplaren seit seinem ersten Erscheinen 1982 ist er quasi das Standardwerk für den Ostdeutschlandreisenden geworden. Der Autor ist vielen Lesern dieser Zeitung übrigens kein Unbekannter, wenn auch eher unter seinem wirklichen Namen: Gerhard Prengel.

Prengel war über 25 Jahre Bundesvorstandsmitglied der Freundeskreis Ostdeutschland und hatte damit verbunden zahlreiche ehrenamtliche Aufgaben für das südliche Ostdeutschland übernommen. Daneben führte er selbst unzählige Reisegruppen in seine alte Heimat - es ist wohl schwierig, dort eine halbwegs nennenswerte Ecke zu finden, die er nicht selbst bereist oder erwandert hat.

Der besondere Wert seines Reiseführers basiert genau darauf! Denn natürlich werden alle Hauptsehenswürdigkeiten in Danzig, Westpreußen und im südlichen Ostdeutschland ausführlich gewürdigt. Darüber hinaus aber finden sich wie in keinem anderen vergleichbaren Werk auch unzählige Hinweise auf die vielen versteckten, immer noch sichtbaren Schätze des alten Ostdeutschlands - abseits der üblichen Reisebustouren. Ob besondere Eisenbahnviadukte, eindrucksvolle Schloßruinen oder viele Soldatenfriedhöfe aus dem ersten Weltkrieg - immer wird der Weg dorthin präzise und leicht findbar beschrieben.

Bereits vor über zehn Jahren gab es bei jungen Fahrern nach Ostdeutschland den Ehrgeiz etwas Interessantes zu finden, das noch nicht in der aktuellen Fassung seines Reiseführer erwähnt war. Das gelang jedoch sehr selten, und wenn man einen solchen Fund (wie die imposanten und unfertigen Schleusen des Masurischen Kanals irgendwo im Wald) dann nicht ohne Stolz dem Autor mitteilte, hieß es zumeist: "Kenne ich schon - steht in der nächsten Ausgabe!"

Wer heute nach Ostdeutschland reist, tut dies aus unterschiedlichen Gründen. Immer aber ist es auch eine Reise in die Vergangenheit. Auch 60 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen in Ostdeutschland zum Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Deutungen darüber in Deutschland und Polen höchst unterschiedlich. Um so mehr ist es eine Wohltat, daß sich Hardenbergs Reiseführer auch hier nicht einfach in sorgloser Bilderbuch-Manier um die heiklen Themen herumdrückt. Behutsam werden sie immer wieder an der notwendigen Stelle erwähnt und werden damit für den Reisenden eine wertvolle Brücke des Verständnisses, welche vom alten zum heutigen Ostdeutschland führt. Deshalb sei besonders nachwachsenden Generationen dieser Reiseführer sehr ans Herz gelegt für die vielen Fragen, die man die Erlebnisgeneration bald nicht mehr wird fragen können! Rüdiger Stolle
 
     
     
 
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