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Anselm hat schon lange seine Heimat, die Insel Föhr, nicht mehr aufgesucht. Während er an seiner Doktorarbeit über Oluf Braren, ein autodidaktes Malergenie, schreibt, dessen wenige Werke längst zu begehrten Sammlerstücken geworden sind, erhält er die Nachricht, daß ein Fragment eines Braren-Meisterwerkes „Der stillen Hochzeit“ auf Föhr wieder aufgetaucht sein soll.
Unverzüglich macht sich Anselm auf den Weg auf die Insel zu seinen verschlossenen eigenbrötlerischen Bewohnern. „Endlos wand sich die Landstraße , dem Verlauf der Küste folgend, nach Norden. Rechter Hand erstreckte sich die dämmerige Marsch, zur Linken begleitete ihn der Deich, in dessen Windschatten er fuhr. Durch das gleichförmige Rauschen der Fahrt glaubte er, das Tosen der See zu hören, gelbgraue Wellen, die unaufhörlich das Ufer hinaufschlugen.“
Kurz nachdem Anselm, dank seines alten Freundes Jahn, einen Blick auf das Bildfragment hat werfen dürfen, wird es unter mysteriösen Umständen gestohlen. Doch warum will niemand über das plötzlich Verschwinden des Bildes sprechen, und aus welchem Grunde besteht die Antwort auf die Frage nach dem Verbleib von Göntje Riewerts nur aus betretenem Schweigen? Fragen über Fragen. Fast scheint es Anselm, als wollten die Inselbewohner ein dunkles Geheimnis bewahren, ein Geheimnis, welches in direktem Zusammenhang mit „Der Stillen Hochzeit“ zu stehen scheint.
Parallel berichtet der Autor Olaf Schmidt in „Friesenblut“ mal in der Gegenwart über Anselms Vorankommen in seinen privaten Ermittlungen nach dem Verbleib des Bildfragmentes, mal in der Vergangenheit über das kärgliche Leben des Schulmeister und Malers Oluf Braren.
„,Ich will Ihnen gestehen‘, fuhr Braren fort, ,daß ich, so sehr ich das Geschwätz über Wiedergänger und dergleichen verachte, nicht leugnen kann, daß etwa ein wahrer Kern darin stecken mag. Sehen Sie, unser Haff ist einst festes Land gewesen mit Äckern und Feldern, Dörfern und Kirchen, vielleicht sogar Städten ... Wenn ich nun über diese Trümmer und Reste spaziere, kommt es mir bisweilen, sonderlich wenn der Nebel von See heraufzieht ... als seien all die Orte und Menschen, die dort einst gewesen, noch in irgendeiner unerklärlichen Weise vorhanden, ... als lebten sie unter uns, oder vielmehr, neben uns fort.‘ ... Oluf Braren sprach vollkommen ruhig, doch seine Augen glänzten fiebrig. Seine Haut erschien noch bleicher als zuvor, als gehörte er schon nicht mehr dieser Welt an. – Es war die Schwindsucht! Die Schwindsucht und die Einsamkeit. War er am Ende vom Wahnsinn ergriffen?“
„Friesenblut“ verbindet Geschichte mit Unterhaltung und hält den Leser bis zur letzten Seite in seinem Bann gefangen.
Außerdem macht der Roman richtig Lust auf einen Besuch auf der Insel Föhr. Der Leser schmeckt quasi schon die salzige Meeresluft auf der Zunge und spürt die steife Brise, die am Strand an seiner Jacke zerrt.
Olaf Schmidt: „Friesenblut“, Eichborn Berlin, Frankfurt am Main 2006, geb., 271 Seiten, 19,90 Euro 5707 |
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