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Stille Interieurs

 
     
 
Noch nie gab es in der deutschen Kunst so mannigfaltige Stilarten wie in den Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg: von der Pop Art bis zu informellen und konstruktivistischen Kompositionen, von Video- und Computerkunst, den "jungen Wilden" bis zu den jüngsten Vertretern von "Bildern der Stille".

Aus dieser pluralistischen Kunstszene ragt die Malerei der 1939 in Danzig geborenen Roswita Waechter heraus. Seit 1972 lebt sie in Köln und hat die dortigen Werkschulen als Meisterschülerin von Professor Dieter Kraemer absolviert. Wie die menschenleeren Landschaften ihrer Kollegen strahlen auch Roswita Waechters Bilder Ruhe und Harmonie
aus. Doch ihre Motive sind Interieurs, in denen sich je ein Mensch befindet, sitzend, lesend, zeichnend, Radio hörend, ruhend. In jüngster Zeit entstanden auch mehrfigürliche Kompositionen, etwa das Gemälde "Ausflug" (2003), das die Künstlerin wie folgt kommentiert: "Das Dargestellte könnte als eine Inszenierung meines Inmichgekehrtseins betrachtet werden - als eine für mich notwendige Gegenreaktion zur drückenden Gegenwart." Das Bild "Zusammenkunft" (2004) bedeutet für die Künstlerin die Vergegenwärtigung eigener jugendlicher Lebensphasen, ausgelöst von kleinen Schwarzweißfotos, die sie in verschiedenen Altersstufen darstellen.

Ausgangspunkt ihrer Gemälde ist also stets die echte oder fotografierte Wirklichkeit. Auch ihre "Fensterbilder" sind neueren Datums. Die Malerin stellt sich ruhend vor einem Fenster dar, durch das die Blicke in die weite Landschaft gehen. Die Geometrie des Fensterrahmens und des Fensterkreuzes bildet den Gegenpol zu den lebendigen Pflanzen. In ihrem Kölner Atelier in der Sürther Hauptstraße wird man mit zahlreichen ganzfigurigen Gemälden und Bildnissen konfrontiert. Roswita Waechter könnte eine gefragte Gesellschaftsporträtistin sein, wollte sie die notwendigen Kompromisse eingehen. Sie müsse jedoch, sagt sie, einen Menschen genau kennen, nicht nur äußerlich, sondern auch sein Inneres, um ein gültiges Porträt zu liefern wie jene ihrer Familienmitglieder, Partner oder die Selbstbildnisse. Eine oder zwei Sitzungen des Modells genügen da nicht. Die Gemälde der Künstlerin sind hauptsächlich auf den "großen Kunstausstellungen" im Haus der Kunst zu München, in Berlin und Düsseldorf zu sehen. Kommerzielle Galerien können sich schwer entschließen, diese stille realistische Kunst zu zeigen, die abseits des Trends liegt. Auch Museen halten sich zurück, selbst das einschlägig ausgerichtete Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg.

1951 veröffentlichte die Malerin ihr Buch "Erinnerungskette Kindheit" (372 Seiten Text mit 16 Abbildungen). Sie schildert darin die Flucht 1945 aus Tiegenhof bei Danzig über Westpreußen und die Ostsee in den Westen mit ihrer Mutter, einer Kriegswitwe, den beiden Brüdern und der Großmutter. Wie in ihren Gemälden begegnet man auch hier einer positiven Haltung - damals freilich auch von kindlicher Naivität genährt. Nichts vom Schrecken der Flucht und der Vertreibung oder von der Angst vor den nahenden sowjetischen Truppen. Wir lesen unter anderem: "Keine Angst fühlend, war ich jedoch tief erregt von all diesem Neuen und Unbekannten."

Das alles liegt jetzt sechs Jahrzehnte zurück; auch ihre medizinisch-technische Ausbildung und die Anstellung beim Pharmazeutischen Werk Hoechst, mit der sie anfangs ihren Lebensunterhalt bestreitet, ist Vergangenheit. Seit nunmehr 30 Jahren widmet sich Roswita Waechter der Kunst, war stets auf handwerkliches Können bedacht und kann nun stolz auf das blicken, was sie erreicht hat. Ihre jüngste Malerei weist auch in ihre künstlerische Zukunft. Günter Ott (KK)

Roswita Waechter: Selbstbildnis
 
     
     
 
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