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Der Gang auf die Barrikaden scheint nur noch als Erzählwerk für die Urenkel tauglich, Revolutionen finden heute in den Stuben von ausgebufften Funktionären statt. Rote Fahnen, flammende Appelle und Brandfeuer fehlen, es sind Weichenstellungen der sanften Art, die den Zeitzeugen erst allmählich den Blick dafür schärfen, daß sich der Zug unweigerlich immer schneller von der Hauptstrecke entfernt. Kürzlich wurde, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, das vom Rechtsauschuß des Bundestages empfohlene „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ im Bundestag beschlossen. Es muß noch den Bundesrat passieren und würde damit zugleich die Tür für eine der wohl größten Reformen des Bürgerlichen Gesetzbuches am Jahresanfang öffnen. Was hier im Gewand juristischer Begrifflichkeit relativ harmlos daherkommt, schließt dann das Kapitel „Beutekunst“ und deutscher Kunst besitz im Ausland ruhmlos und endgültig ab.
Der Paragraph 197 der genannten Reform schließt ein, daß die sogenannten „Herausgabeansprüche aus Eigentum“ in dreißig Jahren verjähren. Praktisch bedeutet dies, daß mit der Wirksamkeit des Gesetzes alle Kunstwerke, die vor dem Jahr 1972 geraubt wurden, nicht mehr dem Bannfluch der Hehlerei unterlägen, sondern vor aller Augen verhökert werden dürften. Was dies für die geraubte Kunst aus Ostdeutschland bedeutet, ist klar. Die von bundesdeutscher Seite bisher stets geforderte Rückgabe von Beutekunst verbaute sich mit diesem Gesetz rechtlich den Weg. Man möchte es kaum glauben, doch wenn man daran denkt, daß der Bundesrat ausgerechnet am 9. November seine Zustimmung geben soll... Müller
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