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Der Theo Rosinski und die Marlene Schneidereit lebten in guter Nachbarschaft. Sie waren Landsleute aus Ostdeutschland, und der Theo bemerkte gern, daß sie ja artverwandt und darum oft gleicher Meinung waren. So gab es mal eine Zeit, da hatte der Theo schon mehr als ein Auge auf die Marlene geschmissen, damals, als er hier eingezogen war. Wie es sich für einen höflichen Menschen gehört, hatte er sich bei allen Nachbarn vorgestellt und sie zu einem Schlückchen Sekt eingeladen. Die Marlene hatte sich mächtig geziert, hatte drei verschiedene Ausreden parat gehabt und war auch nicht gekommen. Na gut, dachte er damals, wer nicht will, der hat schon. Später erfuhr er, daß die Frau Schneidereit alles mied, was Hosen träger trug und einen Scheitel hatte. Marlenes ganzer Lebensinhalt war der Dackel Pelle. Die Liebe, die er genoß, hätte für drei männliche Wesen gereicht. Sie stopfte all das in ihn hinein, was Tierärzte so armen Stubendackeln verbieten.
So hatte Pelle mit der Zeit einen Rücken breit wie ein Persilpaket, und wenn die Marlene auf der Straße den Schraggelgang einlegte, mußte das Hundchen es ihr gleichtun. Die Kehrseite des Schlemmerlebens war unbedingter Gehorsam. War doch die Frau Schneidereit viele Jahre Lehrerin gewesen, und ganze Klassenstämme hatten auf ihr Kommando gehört. Freundinnen hatte Marlene mehr als genug. Was sie so wertvoll für diese machte, war, daß sie ihre Tiere in Pflege nahm, wenn die Damen verreist waren. Vom Meerschweinchen bis zum Kater war schon alles beherbergt worden, und der Theo hatte im Lauf der Zeit alles Piepsen, Bellen, Grunzen, Quieken und Knurren geduldig ertragen. Er blieb gelassen und dachte: Na, so ein alleiniges Frauchen muß sich ja mit irgend was trösten, wenn es so eine graulige Angst vor Männern hat. Aber seit Tagen war ihm etwas nicht geheuer in der Nachbarwohnung. Rauchte er abends auf dem Balkon sein Feierabendpfeifchen, dann vernahm er eine sonore Männerstimme! Wenn seine Ohren auch nicht mehr die besten waren, so konnte er doch die Stimmen im Fernsehen von einer echten unterscheiden. Und diese Stimme war echt!
Im tiefsten Baß sagte die Stimme: "Hallo, meine Süße! Schnuckelmaus! Geht s dir gut? Ja, ja, Gute Nacht!" - Theos Ohren wurden immer länger. Dann die Stimme von Marlene: "Du bist ein Schatz! Ist ja gut!" Nach einem Weilchen sagte sie: "Mach ein Schläferchen! So, ich deck dich zu!" - Und der Theo lauschte. Er blieb sogar auf dem Balkon sitzen, als es stramm regnete. Solch eine Unterhaltung in der Wohnung nebenan, wo doch die Sage ging, daß die Frau Schneidereit eine Allergie gegen Männer hatte!
Und dann kam die Nacht, in der der arme Theo kaum Ruhe fand. Kurz nach Mitternacht wurde er wach. Diesmal war es eine Frauenstimme, und sie kam ihm sehr bekannt vor. Marlenes Stimme! Er verließ das Bett und tastete sich zur offenen Balkontür. Am Himmel hing der Vollmond, Grillen zirpten. Es war das, was die Menschen, so sie es wahrnehmen, eine "lauschige Sommernacht" nennen.
Da war wieder die Stimme! Unter dem Balkon bewegte sich etwas, und was er nun im fahlen Mondlicht sah, ließ ihn fast das Atmen vergessen. Da stand die Marlene, leibhaftig, mit wallendem Haar im schneeweißen Nachthemd - wie einst Julia -, beugte sich über das Kellertreppengeländer und flüsterte: "Alfred! Alfred! Wo bist du?" - So, so, dachte der Theo, Alfred heißt der Kerl also!
Aber warum klingelt der nicht? Denkt die Marlene etwa, der wird sich am Balkon hochhangeln? Wer auch immer diese ausgereifte Maid besuchen möge, der muß ja auch schon im Rentenalter sein.
Gleich darauf fiel ihm ein, daß es doch auch sportliche Rentner gibt. Warum meldete sich dieser Alfred nicht? Hätte sie nur einmal "Theo!" gerufen, na, er wäre doch sofort zur Stelle gewesen.
Marlene streifte weiter durch die Botanik, immer mit "Alfred" auf den Lippen. Nu wird mir das zu dammlich, dachte der Theo, was jeh n mich verschwundene Liebhaber an? Und er legte sich wieder schlafen.
Am anderen Morgen gab es eine Aufklärung. Alfred war ein Papagei, den die gutmütige Marlene in Pflege genommen hatte, der aber schon am dritten Tag durch die offene Balkontür das Weite gesucht hatte.
Nachdem sie zwei Tage lang Bananenscheiben und Pfirsichhälften auf der Balkonmauer ausgelegt hatte, erfolglos zwar, aber zur Freude der Elstern, hatte sie sich nachts auf die Pirsch gemacht und es mit den Lockrufen versucht. Alfred war indessen in sein Zuhause zurückgekehrt und von den erstaunten Nachbarn liebevoll versorgt worden.
Theo Rosinski fand seinen Seelenfrieden wieder, revidierte seine Meinung über Marlene Schneidereit und mußte erkennen, daß im Leben nicht immer alles so ist, wie es scheint.
Das Hutche
"Marjell, ich glaub,
du brauchst e Hutche,
wo du in Königsberg nu bist",
so sprach zu mir
de Tante Trudche,
was meiner Mutter
Schwester ist.
Ich tat mich erst
dagegen spirren:
e Hut - der fehld am End
mir noch!
Mein Tantche ließ sich
nich beirren
und sagd: "Den Hut,
den krichst du doch."
Se jeht mit mir zu Reinhold hin,
stracks inne Hutabteilung,
grapscht sich e Hut
mit sichrem Sinn
und fällt jleich in Begeistrung:
"Da, huck dem auf,
der wird dich kleiden,
der sieht so fein aus und apart."
Ich aber kann mich
nicht entscheiden,
man hat an Farben
nicht jespart.
Und hinten sind
noch Bänder dran,
die bammeln mir
bald bis am Po,
da bin jeputzt ich wie e Hahn
mit dem Jeflecht aus Stroh.
Mein Mondjesicht
mit Sommersprossen und denn das bunte Hutche drauf,
das sieht ja aus
foorts wie geschossen,
doch Tante macht
perfekt den Kauf.
Am Sonntag denn
zur Kaffeezeit,
sagt Erika, meine Kusin :
"Nimm deinen Hut,
wir jehen beid
zum Café Schwermer hin."
Na ja, einmal muß ja wohl sein,
daß ich den Hut
auch präsentier,
so schuchteln wir
zu Schwermer hin,
Soldaten hucken da beim Bier.
Da gniddert einer und sagt laut:
"Ob die den Hut
vom Rummel hat?
Daß die sich
auf die Straße traut?"
Ich werd nu rot wie e Tomat ,
mach aufem Absatz kehrt,
das war wohl nuscht
mit meinem Staat -
der Hut war zu bemerkenswert.
Hildegard Rauschenbach |
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