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Teures Europa: 800 Milliarden

 
     
 
Wenn Bundeskanzler Schröder oder der unsägliche Außenminister Fischer in Polen oder Tschechien weilen, was sie gern tun, pflegen sie mit erhobener Stimme zu beteuern, die Bundesregierung werde alles in die Wege leiten, um den Beitritt dieser Staaten zur Europäischen Union zu beschleunigen. Ihre Begründung: Deutschland habe die "moralische Verpflichtung", dafür zu sorgen, daß die EU die Polen und die Tschechen in ihre Arme nimmt.

Das mag sein, doch stellt sich immer dringlicher die Frage, wel-che finanziellen Folgen es hat, wenn aus der moralischen Verpflichtung die politische Tat wird.

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt
warnte erst wie-der im Nachrichtenkanal n-tv in der Sendung "Späth am Abend" dringend davor, den Beitritt weiterer Staaten in die Europäische Union zu beschleunigen. Er plädiert sogar dafür, deren Beitritte so weit wie möglich hinauszuschieben, weil sonst die EU in den finanziellen Abgrund stürzen könnte. Der Altbundeskanzler dazu: man möge sich vor Augen halten, wie schwierig es bereits war, die DDR, das wirtschaftlich am höchsten entwickelte Land des gesamten Ostblocks wirtschaftlich zu integrieren. Die vier ins Auge gefaßten neuen Mitgliedsstaaten, Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn aber hätten nicht 15 Millionen Einwohner wie die ehemalige DDR, sondern 60 Millionen. Zudem sei ihre Wirtschaft viel schwächer, als es die der DDR war.

Jetzt hat sich im Auftrag der Zeitschrift "Capital" das renommierte Osteuropa-Institut in München mit der Frage befaßt, was die Ost-Erweiterung der EU wirklich kosten würde. "Capital" veröffentlichte Auszüge und stellte fest, sie werde viel teurer, als es bisher die Politiker öffentlich zugeben. Das Osteuropa-Institut: "Die Erweiterung der EU dürfte mindestens 420 Milliarden Euro kosten." (Das wären über 800 Milliarden DM.) Weiter "Capital": "Deutschland müßte schon nach dem bisherigen Beitragsschlüssel rund 118 Milliarden Euro übernehmen, das sind 8,5 Milliarden Euro pro Jahr. Es droht ein zweiter Solidaritätszuschlag für den Osten."

Man erinnert sich, daß Deutsch-land zur Zeit bereits der größte Netto-Zahler in der EU ist, mit über 20 Milliarden DM im Jahr. Damit baute sich beispielsweise Athen eine neue U-Bahn-Strecke, dafür werden die Landwirtschaften südeuropäischer Länder modernisiert, Flughäfen errichtet usw.

In Zukunft soll von den Mitteln auch noch der marode Osten par-tizipieren. Diese Transferzahlun-gen steigen nach den Berechnun-gen des Osteuropa-Instituts vom Jahr 2004 (in jenem Jahr sollen die ersten Beitritte vollzogen werden) bis 2008 (bis dahin sollen sogar insgesamt zwölf neue Kandidaten in die EU aufgenommen werden) stufenweise bis auf 34 Milliarden Euro an. "Das 2008 erreichte Stützungsniveau muß nach Er-fahrungen mit früheren EU-Erweiterungen und der deutschen Einheit mindestens zehn Jahre lang beibehalten werden – wahrscheinlicher sind 20 Jahre", so das Institut. Und die Hauptlast der Finanzierung der rückständigen ost- und südosteuropäischen Staaten wird Deutschland tragen, denn so zitiert "Capital" ausländische Politiker: Die Deutschen wollen die Ost-Erweiterung, sie werden am meisten von ihr profitieren, "sie sollen deshalb auch dafür bezahlen".

Das alles wissen die Europa-Politiker. "Doch aus Furcht vor negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit halten sie die Ergebnisse unter Verschluß", schreibt "Capital".

Wie will die EU die enormen Zahlungen an Polen, Tschechien usw. aufbringen? Bisher wird offiziell behauptet, das könne man durch Einsparungen erreichen, das heißt, indem man im Westen Europas Subventionierungen aus dem EU-Haushalt bremst oder gar einstellt. Darauf lassen sich aber die südeuropäischen Regierungen keineswegs ein. Sie verlangen weiterhin kräftige Förderung – und das vor allem mit Hilfe der Gelder der deutschen Steuerzahler. Daher befürchtet der CSU-Haushaltsexperte im Europaparlament, Markus Ferber: "Wenn die Mehrausgaben nicht durch Umschichtung von West nach Ost finanziert werden, müssen wohl oder übel die Deutschen ran."

Bleibt daher etwas anderes übrig, als in Deutschland die Steuern kräftig zu erhöhen, etwa in Form einer zweiten Solidaritätsabgabe? Offenbar wird in der Bundesregierung darüber nachgedacht, doch hält man den Mund, denn diese neue Belastung wird erst nach der nächsten Bundestagswahl fällig sein.

Wolfgang Quaisser, Wirtschafts-wissenschaftler am Münchener Osteuropa-Institut, laut "Capital": "Die Kosten der Ost-Erweiterung werden die EU an den Rand ihrer finanziellen Solidität bringen." Moralische Verpflichtungen, die Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer so gern bemühen, werden Deutschland teuer zu stehen kommen, wenn sie nicht Deutschland überhaupt in den finanziellen Ruin treiben.

 
     
     
 
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