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Thalia mag nicht schwimmen

 
     
 
Die Opernfreunde aus Hamburg hatten es sich für diese Saison fest vorgenommen: Ein Besuch des Festivals „Kammeroper Schloß Rheinsberg“ sollte mit dem Erlebnis einer Aufführung im romantisch gelegenen Heckentheater seinen krönenden Abschluß finden. „Così fan tutte“ von Mozart stand auf dem Programm, leichte Kost in dieser Sommerzeit. Petrus hatte schon seit Ende Juni ein Einsehen mit den Künstlern - das Wetter war nicht zu übertreffen: Sonne, Sonne, Sonne. Ein Sommer, wie er im Buche stand, bescherte den jungen Sängerinnen und Sängern und natürlich auch dem Publikum ideale Bedingungen für Open-air-Aufführungen. Allerdings war es manches Mal selbst für einen „starken Mann“ schwer, bei 35 Grad Celsius zu proben, wie einer der jungen Sänger im Nachhinein bekannte. Bei strahlendem Sonnenschein ging’s in Hamburg los. 

Die Temperaturen hatten sich auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt. Doch je weiter es nach Osten ging, desto mehr zog sich der Himmel zu. Schwarze Wolkenberge drohten am Horizont. Als die Opernfreunde schließlich Rheinsberg erreichten, goß es wie aus Kübeln. Freilichtaufführung adieu! Voller Zweifel ging man durch den Schloßpark, der selbst im Regen noch einen gewissen Charme ausstrahlte, in Richtung Heckentheater. Was würde einen dort erwarten? Gerade war ein Mitarbeiter des Festivals dabei, ein Hinweisschild anzubringen, daß die Aufführung von „Così fan tutte“ aus Witterungsgründen in einer Halle im Hafendorf stattfinden würde. Ein Shuttle-Bus würde die Besucher dort hinbringen, denn Parkplätze ständen nur in begrenzter Zahl zur Verfügung. Na ja, das würde was werden. Das romantische Heckentheater gegen eine Halle einzutauschen, damit mußten die Opernfreunde erst einmal fertig werden. Dann aber siegte der Optimismus: Eine Halle war doch mal was anderes, schließlich würde auf anderen Musikfestivals sogar in alten Scheunen klassische Musik gespielt. Im Shuttle-Bus, der am Eingang zum Schloßpark (unter den gestrengen Augen von Kronprinz Friedrich, der auf seinem hohen Denkmalssockel stand) auf die Musikfreunde wartete, sah man nur erwartungsfrohe Gesichter. Alle waren offensichtlich zufrieden, daß die Aufführung im wahrsten Sinne des Wortes nicht ins Wasser fallen würde. Im Hafendorf angekommen, mußten zunächst einige Pfützen überwunden werden. Dann empfing die Spiel-, Spaß- und Sporthalle, Teil der geplanten Arena mit Konferenzzentrum und Hotel, die Opernfreunde. Auf Klappstühlen (im Heckentheater hätte man auch nicht bequemer gesessen) fanden dort fast 1000 Zuhörer Platz, die sich bald von den Klängen Mozarts
gefangennehmen ließen. Wer achtete überhaupt noch auf die nüchterne Umgebung? Allein der Regen, der auf das Dach prasselte, lenkte für Sekunden die Aufmerksamkeit auf die Naturgewalten außerhalb der Halle. Mozarts virtuose Musik jedoch gewann diesen Wettstreit der Töne, nicht zuletzt durch die Unterstützung der stimmgewaltigen jungen Sängerinnen und Sänger. Jeder Zuhörer wird da seine eigene Favoriten gehabt haben: Jule Rosalie Vortisch (geb. 1978, Deutschland) als Fiordiligi und Anne Schuldt (geb. 1976, Deutschland) als Dorabella, Daniel Kim (geb. 1977, Südkorea) als Ferrando und Tobias Hächler (geb. 1978, Schweiz) als Guglielmo oder John In Eichen (geb. 1979, Schweiz) als gewichtiger Don Alfonso, der an allem Unheil in dieser turbulenten Geschichte um Liebe und Treue die Schuld trägt. Begeisterung rief auch die temperamentvolle Darstellung des jüngsten Ensemblemitglieds beim Publikum hervor. Mit viel Charme, großer Stimme und schauspielerischen Fähigkeiten zeigte Anett Fritsch (geb. 1986, Deutschland) nicht nur als Zofe Despina ihr Können. Auch als falscher Arzt und als Notar bewies sie ihre Begabung fürs Komische. Begleitet wurden die Sängerinnen und Sänger vom RIAS Jugendorchester unter der Leitung von Will Humburg, das zum ersten Mal auf dem Festival auftrat. 

Die Inszenierung von Heinz Lukas-Kindermann mit einem für konservativen Geschmack allerdings gewöhnungsbedürftigen Bühnenbild begeisterte nicht zuletzt deshalb, weil der Regisseur sich von Mozarts Oper inspirieren ließ und nicht seine eigenen Ideen einer Oper verwirklicht hat, wie der künstlerische Leiter des Festivals, Professor Siegfried Matthus, in seinen einleitenden Worten hervorhob. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die ebenfalls sehr jungen Statisten, die auch eifrig beim Aufund Abbau der Bühnendekoration eingesetzt wurden. Sie stammten übrigens wie 50 Jugendliche, die in der Technik oder der Statisterie während des Festivals engagiert waren, aus Rheinsberg. Der abschließende Beifall und die Bravorufe aus dem Publikum galten vor allem den jungen Künstlern, die mit großer Begeisterung bei der Sache waren. Und so mancher Stammgast in Rheinsberg mußte feststellen, daß die Aufführung in der Halle den Gesang direkter herüberbrachte als im Heckentheater, wo die Stimmen über Mikrofone und Verstärker verzerrt werden. John In Eichen (Don Alfonso) und auch Jule Vortisch (Fiordiligi) betonten allerdings in einem Gespräch mit derVerlegerin daß sie lieber im Hekkentheater singen würden, da sie dort die Töne des Orchesters besser hören würden und es keine Verzögerung gebe. Sie waren jedoch schon Profi genung, daß sie sich nichts anmerken ließen. Regen, Wolkenbruch, Unwetter - all das hat diesem Abend nicht geschadet. Thalia hat sich nicht unterkriegen lassen - nur schwimmen mag sie eben nicht.
 
     
     
 
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