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Am 4. Dezember 1904 wurde in Königsberg / Pr. unter Mitwirkung des Hauptmanns Born ein neuer Schwimmsport-Club, und zwar der Schwimm-Verein Prussia e.V. gegründet. Dieser Offizier hatte bereits drei Jahre zuvor den Königsberger Schwimm-Club (KSC 01) zusammen mit anderen Interessenten ins Leben gerufen, und zunächst auch dessen Vorsitz übernommen. Er verließ jedoch diesen Verein aus nicht näher bekannten Gründen bald wieder, und so kam es zu der vorgenannten Neugründung.
Training sstätte und Vereinslokal war die Pasternacksche Badeanstalt in der Cäcilienallee 3, am westlichen Ufer des Oberteiches gelegen. Einige Zeit nach Gründung des Vereins soll die Stadt Königsberg die Badeanstalt von ihren Eigentümern, den Schwestern Pasternack, erworben haben. 1910 übernahm der Bankbeamte Kurt Schäfer den Vorsitz. Unter seiner Regie schloß sich 1912 der Schwimm-Club Hellas, der sich 1909 etablierte und zunächst in der ehemaligen Kronprinzen-Badeanstalt - ebenfalls am Oberteich - aktiv war, jedoch unter vielfältigen Unzulänglichkeiten litt, dem Schwimm-Verein Prussia an. Hellas brachte in diese neue Verbindung einige sehr leistungsstarke Aktive ein.
1919 gründete der Vorsitzende Kurt Schäfer eine Genossenschaft, die Badeanstalt Prussia e.G.m.H. Die Anlage wurde in einem Pachtvertrag auf 99 Jahre erworben. Im selben Jahr entstand der Königsberger Stadtverband für Leibesübungen, in dessen Mitarbeiterstab Kurt Schäfer berufen wurde. In dieser Funktion konnte er in der Folgezeit viel für seinen Verein bewegen.
Aus älteren Aufzeichnungen ist zu entnehmen, daß der S.V. Prussia seit dem Jahr 1922 das gesamte Gelände als vereinseigene Badeanstalt besaß. Somit stand einem weiteren Ausbau der Anstalt nichts mehr im Wege, und es entstanden nacheinander ein breiter Brückensteg verbunden mit einem 100 Meter langen Trainingssteg, 100 Einzelumkleidekabinen, ein Gemeinschaftsraum, ein Kassen- mit Wohnraum für den Bademeister, ein Jugendzimmer, ein Frisierraum, eine 50-Meter-Wettkampfbahn und ein Fünf-Meter-Sprungturm. Alles geschah unter reger Mitarbeit vieler Mitglieder. Das Vereinslokal bekam zusätzlich eine Kolonnade sowie eine Gastronomie mit Aufenthaltsraum. Dar-
über hinaus betrieb man im Sommer ein Gartenlokal. Neben dem S.V.P. waren am Oberteich noch die Schwimmvereine KSC 01 und S.C. Hansa mit vereinseigenen Badeanstalten beheimatet. Die Schwimmerinnen des Damen-Schwimmvereins D.S.V. Baltia trainierten als stets gerngesehene Gäste regelmäßig in der Badeanstalt der Hanseaten. Hierbei sei ebenfalls erwähnt, daß alle genannten Badeanstalten gegen ein geringes Eintrittsgeld auch der übrigen Bevölkerung für den Badespaß zur Verfügung standen. Daß dabei der eine oder andere Jugendliche - sowohl Mädchen als auch Junge - als Mitglied angeworben wurde, ist wohl verständlich.
Wie die anderen Königsberger Schwimmvereine war auch der S.V. Prussia ein Verein mit Winterbad. So erfolgten in der Winterzeit kontinuierlich Trainings- und Wettkampftätigkeiten im Universitäts-Hallenbad Palästra-Albertina. Jeweils am Freitag trainierte der S.V.P. In der trainingsfreien Zeit beschäftigten sich die Mitglieder im Clubheim unter anderem mit dem Einstudieren von Theatervorführungen oder mit Tischtennis. In dieser Disziplin konnte während eines Stadtturniers sogar einmal der Stadtpokal gewonnen werden. Eine Eishockeymannschaft existierte in den 20er Jahren ebenfalls. Trotz dieser sportlichen Nebentätigkeiten blieb der S.V. Prussia aber immer ein reiner Schwimm-Verein.
Nach den langen Wintermonaten waren im Verein alle sehr gespannt, wer es wohl als erster wagte, in den eiskalten Oberteich zu springen. Mit dem Sprung galt die Saison inoffiziell als eröffnet. Beliebt waren auch verschiedene vereinseigene Rituale, wie das Ostereier-Schwimmen, das am Karfreitag vonstatten ging. Auf einem im Mund zu haltenden Löffel mußte ein Ei über eine gewisse Strecke balanciert werden. Nur böse Zungen behaupten, daß kaum ein Ei seinen Zielort erreicht habe. Das offizielle Anschwimmen fand in der Regel Anfang Mai wiederum mit einem Ritual statt, bei dem ein blumenumkränzter Balken ins Wasser geworfen wurde. Bei der anschließenden Feier erhielt dann jeder Teilnehmer einen kleinen Balken am Band, auf dem man die Unterschriften - die sogenannten Autogramme - seiner Freunde eintragen ließ.
Alle Königsberger Vereine standen untereinander in reger Wettkampftätigkeit. Großen Zuspruch fanden stets die Schwimmfeste, welche die einzelnen Clubs reihum veranstalteten. Neben dem sportlichen Geschehen verstand man es, diese mit allerlei folkloristischen und künstlerischen Darbietungen aufzulockern.
Um Werbung für den Schwimmsport im allgemeinen zu betreiben, bereisten die Königsberger auch die ostdeutsche "Provinz". Sie traten zu Schau- und Vergleichskämpfen in verschiedenen Städten wie zum Beispiel Allenstein, Cranz, Elbing, Lötzen, Lyck, Rastenburg und Tilsit an. In diesen waren nicht selten Schwimm-Abteilungen normalen Turn- oder Sportvereinen angegliedert. - Neben den Stadt-, Kreis-, Provinz- und Gaumeisterschaften kam es wiederholt zu interessanten Städtevergleichskämpfen zwischen Königsberg und Danzig, Stettin oder Zoppot. Dazu stellten die einzelnen Vereine jeweils ihre stärksten Schwimmerinnen und Schwimmer der Stadtauswahl zur Verfügung. Alle zur damaligen Zeit bekannten Disziplinen wurden absolviert, dazu kamen Turmspringen und Wasserball. Hierbei entstanden über alle Vereinsgrenzen hinweg Freundschaften, die noch heute bestehen. Häufig verbrachte man, wenn keine Wettkämpfe anstanden, an den Wochenenden gemeinsam die Freizeit in den samländischen Ostseebädern. Wer von den Prussianern nicht an die See fuhr, konnte seinen Sonntagnachmittag ausschließlich mit Clubkameraden im Vereinsheim verbringen, denn ab 12 Uhr mittags wurde die Badeanstalt für die Öffentlichkeit geschlossen.
Bei den Stadt- und Kreismeisterschaften war für den S.V. Prussia überwiegend der KSC 01 der härteste Rivale. Am 24 März 1924 gewann der S.V. Prussia nach zehn Jahren wieder einmal im Wasserball die Hallen-Kreismeisterschaft gegen den KSC 01 mit sieben zu fünf Toren. Von da an schienen die Prussianer im Wasserball unbezwingbar. Auf Provinz- und Gauebene kamen dann die Allensteiner, Elbinger, Tilsiter und Memeler Schwimmer als starke Konkurrenten hinzu.
Im August 1929 erfolgte eine Einladung des Rigaer Schwimm-Vereins zu einem Städte-Vergleichskampf Riga - Königsberg / Pr. KSC 01 und S.V. Prussia stellten die Königsberger Stadtauswahl. Die Wettkämpfe gewannen die "vereinigten" Königsberger Schwimmer, ebenso das Wasserballspiel mit 5 : 0 Toren. Ehrengäste dieser Veranstaltung waren neben anderen der Admiral der Lettischen Flotte, Graf v. Kayserling, und der Kommodore des Rigaer Yacht-Clubs, Baron von Freytag-Loringhoven. Nach der Preisverteilung wurde zum Bankett ins alte Gildehaus zu Riga eingeladen. Für alle Teilnehme ein unvergessenes Erlebnis!
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges mußten viele männliche Aktive zum Militärdienst. Nur noch selten konnten diese in der Folgezeit an Wettkämpfen teilnehmen, die nunmehr vorwiegend von den Damen und Jugendlichen bestritten wurden. 1943, zum 25jährigen Bestehen der Allensteiner Sportschwimmer, bestritt noch einmal eine große Anzahl ostdeutscher Aktiver, in der Mehrzahl Schwimmerinnen, hervorragend organisierte Wettkämpfe. Gäste waren neben Prussia noch KSC 01, KTC, SSG Memel und die Tilsiter.
Dann brach in den ersten Monaten des Jahres 1945 das große Inferno über den Osten Deutschlands herein. Diejenigen, die dieses nach Verlust von Existenz und Heimat sowie nicht selten auch von Angehörigen überlebten, mußten in der Fremde, vielfach unter schwierigsten Bedingungen, ihr Leben neu ordnen.
Jahre vergingen, bis die Überlebenden nach und nach wieder Kontakt zueinander aufnehmen konnten. Einige von ihnen schlossen sich westdeutschen Schwimm-Vereinen an. Am 12. / 13. September 1964, während eines Königsberger Treffens in Göttingen, erhielt der damalige Sprecher der Königsberger Schwimmgemeinde, Walter Knobloch, vom Vorsitzenden des Göttinger Schwimm-Vereins, Fr. W. Kasten, namens des Deutschen Schwimm-Verbandes den Ehrenteller aus Anlaß 60 Jahre S.V. Prussia überreicht. Gegen Ende der 70er Jahre begannen die regelmäßigen, jährlichen Begegnungen in jeweils verschiedenen westdeutschen Städten. Besonders hervorgehoben sei hier die Zusammenkunft 1979 in Sankt Andreasberg im Oberharz, bei der sich 90 ehemals aktive Schwimmerinnen und Schwimmer aus Königsberg und dem übrigen Ostdeutschland einfanden. Man veranstaltete im dortigen Panoramabad ein Schwimmfest wie Jahrzehnte zuvor in der Palästra-Albertina zu Königsberg / Pr. Dabei ließen es sich 50 ehemalige Aktive nicht nehmen, gegen ihre alten Rivalen aus der Jugendzeit anzutreten, um noch einmal ihre Kräfte miteinander zu messen. Weitere Wettkämpfe, allerdings mit geringerer Teilnehmerzahl, folgten dann während späterer Zusammenkünfte in Bad Nauheim, Pirmasens und Bonn. Im Laufe der Zeit schrumpft nun die Zahl derer, die noch unter uns weilen und derjenigen, die sich jährlich weiterhin begegnen können, immer mehr. Die einst große Schwimmerfamilie wird bald nicht mehr bestehen.
Aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg: Das Vereinslokal in der Anfangszeit sowie die Vereinsschwimmerinnen Erna Leskien, Grete Bischoff und Hilde Kramer im Winter 1928
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