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In vielen Jahren ist uns ein Gesicht begegnet, das ohne merkliche Verwandlung in unzähligen Lustspielen auftauchte und sich den Kinobesuchern unvergeßlich einprägte. Sein Träger ist zu einem Begriff geworden, den man immer wieder mit herzlicher Freude willkommen hieß: Theo Lingen, der 1903 in Hannover geboren wurde.
Wir erinnern uns noch der zahlreichen Filme, in denen Theo Lingen als gemessener Diener oder seiner Würde voll bewußter Sekretär die Überheblichkeit der Umwelt durch ein groteskes Selbstbewußtsein dämpfte. Unnahbar und mit den Allüren eines Großen hielt er Distanz zu den Menschen, Frauen und Generaldirektoren um ihn herum, mit Verständnis und leiser Verachtung hat er Kenntnis von ihren Schwächen genommen.
Später, nach dieser Dienerzeit und jenem majestätischen Sekretärsdasein, wechselte der große Charakterkomik er ins Fach der Bürgerlichen hinüber. Zwischen träumerisch begeistertem Hochgefühl und der ängstlichen Bescheidenheit einer subalternen Seele schwankte sein Wesensbild in der Filmgeschichte. Mit der Vir- tuosität eines begnadeten Darstellers, der unerbittlichen Schärfe eines überaus kritischen Analytikers hat er Typen umrissen, die dem Leben und der Wirklichkeit nahe blieben.
Lingen kann nicht als Komiker schlechthin bezeichnet werden, weil er nicht nur der geniale Gestalter lustiger Figuren und geistvolle Interpret menschlicher Eigenarten war. Man konnte diesen hinreißenden Darsteller nicht in eine künstlerische Kategorie einordnen, weil er dazu eine zu ausgeprägte Persönlichkeit hatte.
Mit Witz und Würde, Gemessenheit und klugem Verstand, mit intensivster schauspielerischer Einfühlsamkeit und exaktestem darstel- lerischen Können war Theo Lingen der Menschenbildner und Typenformer großen Formats. Er verzichtete auf jegliche Zutaten und clownisches Zubehör. Er war ganz einfach er. Er verwandelte sich nicht. Er trug als feiner Herr dasselbe Gesicht, das er schon als Diener trug.
Lingen war als geistvoller Bühnenautor, als Bühnendarsteller und Theaterschauspieler, als Filmspielleiter ebenso erfolgreich hervorgetreten wie als Filmdarsteller. Seit 1930 ("Dolly macht Karriere") war er in unzähligen Rollen auf der Leinwand zu sehen. Ihm verdanken wir unvergessene Kinostunden.
Der Mime starb am 10. November 1978 in Wien. Von der Stadt Wien erhielt er auf dem Zentralfriedhof ein Ehrengrab. Seine Tochter Ursula Lingen, geboren 1928, wurde ebenfalls Schauspielerin und war mit dem Darsteller und Regisseur Kurt Meisel verheiratet. Am 10. Juni hätte Theo Lingen seinen 100. Geburtstag begehen können. |
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