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Memento mori!", "Gedenke des Todes!" ist der Titel eines alemannischen Gedichtes aus dem 11. Jahrhundert. Wir sehen, daß sich der Mensch früherer Zeiten genauso mit den Gedanken an den Tod beschäftigt hat wie der heutige. Auch die von Carl Orff in "Carmina Burana" so erstaunlich einfühlsam vertonten bäuerlichen und geistlichen Gesänge zeugen davon.
Einen Tag im Jahr, in einer Zeit, in der die Natur auch vom Vergehen alles Lebendigen spricht, haben wir dazu bestimmt, an unsere Toten sowie an den eigenen Tod zu denken. Und es ist gut so, einmal haltzumachen in der Hetze des Lebens. Sich mit dem Problem des Todes auseinanderzusetzen, wie wir es mit den Problemen des Lebens ja auch müssen. Wir tun es nicht gern. Der Selbsterhaltungstrieb setzt sich automatisch gegen die Gedanken an den Tod zur Wehr. Und wer weiß schon, was wirklich "Tod" ist. Er ist mehr als das physiologische Sterben. Letzten Endes bleibt er uns ein unergründliches Geheimnis, ganz gleich, ob man ihn aus biologische r, philosophischer oder religiöser Sicht betrachtet.
Alles Leben läuft im Grunde dem Tode entgegen. Und je älter wir werden, desto schneller erscheint uns dieser Lauf. Wir wissen, "eine kurze Spanne Zeit ist uns zugemessen". Der Tod ist allgegenwärtig. Früher sprach man von der "Geißel des Todes", als es die Pest und schwere Seuchen gab. Dieser Geißel hat der Mensch die Schrecken nehmen können. Aber heute gibt es den Tod auf der Straße und den Krebs, genauso schrecklich, weil wir uns nicht dagegen wehren können. Der Mensch kommt immer wieder an die Grenzen seiner Macht und seiner Klugheit. Jeder Mensch hat Furcht vor dem Tode. Was können wir dagegen tun? Die Neunmalklugen, die Hundertprozentigen sagen: "Lebe so, wie du auf dem Sterbebett wünschen wirst, gelebt zu haben." Aber wer weiß schon, wie er in seiner Sterbestunde wünschen wird, gelebt zu haben? In unserer letzten Stunde erscheinen uns die Lebenswerte wahrscheinlich in einer völlig anderen Rangordnung, dann setzt eine gänzliche Umwertung aller Lebenswerte ein.
Es gibt wohl keinen erwachsenen Menschen, der am Totensonntag nicht um liebe Tote trauern muß. Die Bibel sagt: "Selig sind, die da Leid tragen." Zwar spüren wir wenig von Seligkeit und oftmals soviel Leid, daß wir an einer sinnvollen Weltordnung irre werden könnten.
Trauer, Schmerz und Verzweiflung haben ihr Recht im menschlichen Leben genauso wie Freude und Glück. Und das finstere Tal, durch das wir geführt werden, ist oft sehr finster. Aber daran, wie der Mensch sich verhält, wenn er diese finsteren Täler durchschreitet, erkennen wir, ob er eine höhere Macht anerkennt, deren oft unverständlicher Weisheit er sich beugt.
Totensonntag, Tag der Besinnung. Gewidmet dem Gedenken an unsere lieben Toten, aber auch eine Mahnung an den eigenen Tod. Eine Mahnung, die Mörike empfunden haben mag, als er schrieb: "Ein Tännlein grünet wo, wer weiß im Walde, / Ein Rosenstrauch, wer sagt, in welchem Garten? / Sie sind erlesen schon, denk es, o Seele, / Auf deinem Grab zu wurzeln und zu wachse |
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