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Minderheitenregierung als Ausweg aus der fortdauernden Parteienkrise
Die schwierige Regierungsbildung nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in der Tschechei nahm eine unerwartete Wende. Die zwei größten Parteien, die Sozialdemokraten und die Bürgerlich-demokratische Partei haben sich geeinigt, eine Zusammenarbeit besonderer Art einzugehen. Die Sozialdemokraten, die mit 33 Prozent zur stärksten Fraktion im Prager Parlament wurden, werden eine Minderheitsregierung bilden, die von der Klaus-Partei (28 Prozent) geduldet wird. Zu diesem Zweck haben beide Parteiführer , Zeman und Klaus, einen ""Oppositionsvertrag" vor laufenden Kameras unterschrieben und veröffentlicht. Dieser Vertrag regelt die Zusammenarbeit beider Parteien, die Verteilung wichtiger Posten, das Verhalten bei Abstimmungen und vieles andere mehr. Im Tausch für die Duldung der sozialdemokratischen Regierung erhält die Bürgerlich-demokratische Partei die Posten der Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Senats, sowie den Vorsitz in wichtigen Ausschüssen.
Diese Vereinbarung kam für viele überraschend. Vor allem die kleinen Parteien zeigten sich entrüstet. Sie sprechen vom Ende der Demokratie und versuchen gemeinsam mit dem Staatspräsidenten Havel die Elefantenverbindung doch noch zu Fall zu bringen. Sie übersehen dabei, daß sie nur die Suppe auslöffeln müssen, die sie selber gekocht haben. Die Volkspartei, in den Jahren 1992 bis 97 Mitglied der Regierungskoalition unter Ministerpräsident Klaus, entwickelte den jeder kleinerer Koalitionspartei eigenen Hang zur Erpressung zur absoluter Vollkommenheit. Im Dezember 1997 beteiligte sie sich aktiv am Sturz von Klaus, um dann verstärkt in der Übergangsregierung Tosovsky mitzuwirken. Alles Sünden, die Klaus nie vergessen kann, die sich aber auch der sozialdemokratische Führer Zeman gut gemerkt hat. Die zweite kleine Partei, die Union der Freiheit, ist allein durch ihr Entstehen als Abweichlergruppe der Bürgerlich-demokratischen Partei verdächtig. Sowohl Klaus, als auch Zeman kennen die alte Weisheit: Wer einmal verraten hat ...
Beiden Parteiführern, Zeman und Klaus, ist ein gekonnter strategischer Zug gelungen. Zeman wollte um jeden Preis seine Partei an die Regierung bringen. Ursprünglich hat er eine Koalition mit der Volkspartei angestrebt. Erstens hätte diese Verbindung nicht die Mehrheit gebracht und zweitens wollte die Volkspartei nur eine Dreierkoalition mit der Union der Freiheit eingehen. Beide kleinen Parteien haben solche Vorbedingungen gestellt , daß Zeman lieber das in parallelen Verhandlungen mit der Klaus-Partei erzielte Ergebnis akzeptierte. In vielen Hinsichten wird er so mehr Spielraum haben als in einer Koalition und vor allem einen verläßlicheren Kontrahenten. Der sonderbare Bund zwischen Klaus und Zeman richtet sich nicht nur gegen die kleineren Parteien, sondern auch gegen den Staatspräsidenten Havel und seine Kamarilla. Klaus hat mit ihm unbeglichene Rechnungen, denn Havel hat sich aktiv an seinem Sturz beteiligt. Auch Zeman war von Havel nie besonders begeistert, ein übriges hat ihm den Rest gegeben, als Havel vor den Wahlen ausgestreut hat, er beabsichtige nicht Zeman zum Ministerpräsidenten zu ernennen, auch wenn seine Partei die Wahlen gewinnt.
Der künftige tschechische Ministerpräsident wird nun Milos Zeman heißen. Seine Regierung wird zwar kaum die vorgesehenen vier Jahre an der Macht bleiben, aber vielleicht wird das gar nicht beabsichtigt. Gemeinsam mit der "vertraglich" oppositionellen Bürgerlich-demokratischen Partei können die Sozialdemokraten wichtige Verfassungsänderungen beschließen, unter anderem die Einführung des Mehrheitswahlrechts. Dann können wieder vorgezogene Wahlen stattfinden und der Sieger wird endlich unbehindert regieren können.
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