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Endlich ist er da. Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" liegt seit vergangener Woche in den Regalen. Jene Polemik gegen den "Literaturpapst" Marcel Reich-Ranicki. Nun können wir selbst beantworten, ob das Buch antisemitisch ist.
Hans Lach heißt Walsers Romanheld, Ehrl-König sein rücksichtsloser, überheblicher TV-Literaturkritiker, der den Lach erbar- mungslos verreißt. Es kommt zum Eklat, nach welchem der Kritiker unter Zurücklassung eines blutigen Pullovers spurlos verschwindet. Lach gerät unter Mordverdacht, wird verhaftet, landet in der Psychiatrie und ist nahe am Zusammenbruch. Schließlich taucht Ehrl-König quietschfidel wieder auf. Er hatte sich mit einer reichen Nachwuchsliteratin auf deren Schloß vergnügt.
Zwischen Verschwinden und Wiederauftauchen des Kritikers entwerfen fiktive Weggefährten ein schauerliches Bild der "TV-Larve", des "Tongötzen", der alle, selbst Goethe, heruntermacht - dabei allein sich selbst fortwährend überhöht. Der mit tyrannischer Geste, seine Medienmacht mißbrauchend, Bücher auf "seine Liste" setzt und als "gutes Buch" oder "schlechtes Buch" eintütet. Fernsehgerecht plakativ macht er das, hopp oder topp. Und hat dann noch die Frechheit zu behaupten, in Deutschland gebe es zwar "Schriftsteller und Bücher, aber keine deutsche Literatur".
Pikant ist, wie sehr dieses Buch die Art seiner Verdammung selber bis ins Detail prophezeit: "Daß der Mächtigste dein Feind ist, ist nicht das Schlimmste, sondern daß er jedesmal wenn er dich erledigt ... , wieder mit zum Himmel gedrehten Augen seufzt, wie ungern er sage, was er jetzt über Hans Lachs neues Buch sagen müsse, daß es nämlich von Grund auf mißglückt sei, das über den Fereund Hans Lach zu sagen, den er trotz dieses wieder mißglückten Buches für einen unserer interessantesten, zurechnungsfähigsten Scheriftstellerr halte ..." - "Fereund", "Scheriftstellerr" - bewußt karikiert Walser die manirierte Sprechweise Reich-Ranickis. Und was ließ der prompt über "Tod eines Kritikers" verlauten? "Ich habe viele Bücher von ihm gelobt und jahrzehntelang an sein Talent und seine Redlichkeit geglaubt", doch: "Walser hat noch nie so ein erbärmliches Buch geschrieben." Voilà!
Selbst der Antisemitismus -Vorwurf wird in dem Roman bereits vorausgeahnt. Die ihn jetzt erheben, bestehen darauf, daß Walser typisch antijüdische Klischees bedient. Nach Lektüre des Buches erscheint einem diese Argumentation erst recht bizarr. Die negativen Attribute des Ehrl-König, sein Defätismus, seine Selbstsucht sind alles andere als "typisch" für Juden. Sie treten in allen Religionsgemeinschaften und Nationen auf. Walser hatte daher recht, als er die Antisemitismusfrage just an die zurückgab, die darin unbedingt "Typisches" entdecken wollten. Elisa Wachtner
Martin Walser, Tod eines Kritikers, 19,90 A, Suhrkamp, Zu bestellen beim Buchhandel, Telefon (040) 41 40 08- |
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