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Die Parlamentswahlen in Ungarn sind von den rechtsliberalen Jungdemokraten (Fidesz-Ungari-sche Bürgerpartei) klar gewonnen worden; die regierenden Sozialisten erlitten eine schwere Niederlage. Doch zur Regierungsbildung ist Fidesz auf die Partei der Kleinbauern angewiesen, die ein schwieriger Partner werden dürfte. Die Idee einer großen Koalition mit den Sozialisten ist vom Vorsitzenden der Jungdemokraten, Viktor Orban, der eine Woche nach dem Wahlsieg seinen 35. Geburtstag feierte, zurückgewiesen worden.
Die zweite Runde der Parlamentswahlen in Ungarn hat eine völlig neue politische Landschaft und bisher ungewohnte Kräfteverhältnisse geschaffen. Gemäß dem Endergebnis gingen von den 386 Parlamentsmandaten 148 an die rechtsliberalen Jungdemokraten (Fidesz Ungarische Bürgerpartei), die bei den Wahlen 1994 lediglich 20 Sitze gewonnen hatten. An zweiter Stelle stehen die bisher regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Horn mit 134 Sitzen (75 Verluste), gefolgt von der Partei der Kleinbauern, die 48 Mandate erhielt (22 Gewinne).
Der kleine, linksliberale Koalitionspartner der Sozialisten, der Bund freier Demokraten, ist der größte Verlierer der Wahlen, da er beinahe zwei Drittel seiner bisherigen Fraktion einbüßte; er entsendet nur noch 24 Abgeordnete ins Parlament (45 Verluste). Dem Ungarischen Demokratischen Forum, der führenden Regierungspartei des Jahres 1990, gelang es dank Wahlallianzen mit dem Fidesz, 17 Sitze zu gewinnen (minus 21) und so doch eine parlamentarische Partei mit eigener Fraktion zu bleiben. Neu schaffte den Einzug ins Abgeordnetenhaus die offen antisemitische Partei MIEP des Schriftstellers Istvan Curka. Bei 14 Mandaten fehlt ihr allerdings ein weiterer Sitz, um eine Fraktion bilden und an der Arbeit der Ausschüsse teilnehmen zu dürfen. Ein einziges Mandat ging an einen unabhängigen Kandidaten, den früheren Finanzminister Mihaly Kupa. Während die Freien Demokraten ihre schwere Niederlage schon eingestanden haben, die Führung zurücktrat und die baldige Einberufung einer Delegiertenversammlung in Aussicht stellte, gab die Sozialistische Partei bekannt, daß sie einen ähnlich dramatischen Schritt nicht für nötig halte. Ministerpräsident Horn hatte bereits Sonntag nacht das Ergebnis seiner Partei wiederholt ehrenhaft genannt, was angesichts des Stimmenanteils auch zutrifft. Doch da diesmal im Gegensatz zu 1994 auf der anderen Seite ein starker Gegner vorhanden war und die Sozialisten nicht an erster Stelle standen, blieb ihr Mandatsanteil weit unter dem Ergebnis von vor vier Jahren.
Horn gratulierte dem Fidesz zum Wahlsieg und empfahl, bei der Regierungsbildung die politische Stabilität zu beachten. Da der Fidesz und das mit ihm verbündete Demokratische Forum allein keine Mehrheit hätten, seien sie auf einen Partner angewiesen und müßten ihre Wahl treffen. Horn sprach zwar bereits von der künftigen Rolle der Sozialisten in der Opposition, doch schien er auch die Türe offen zu lassen für eine große Koalition zwischen dem Fidesz und den Sozialisten.
War das wirklich der Sinn von Horns Ausführungen, so wurde die Andeutung vom Präsidenten des Fidesz, Viktor Orban, alsbald zurückgewiesen. Orban, der als ein strahlender, aber beherrscht gemäßigter und umsichtig sprechender Sieger auftrat, gab sich überzeugt, daß eine große Koalition dem Willen all jener widersprechen würde, die ihre Stimme dem Fidesz darum gegeben hatten, damit die Sozialisten an der Regierung abgelöst werden könnten. Die Jungdemokraten sind damit gezwungen, in den sauren Apfel zu beißen und mit den Kleinbauern Verhandlungen über die Bildung einer Koalition aufzunehmen.
Der Fidesz hatte nach der ersten Wahlrunde nur noch zweckoptimistisch gehofft, die zum Regieren nötige Mehrheit auch allein zu erringen und darum herumzukommen, sich mit dem radikalen und populistischen Führer der Kleinbauern, Jozsef Torgyan, einigen zu müssen. Eilig haben es die Jungdemokraten allerdings nicht. Sie gaben bekannt, daß sie die Gespräche nicht vor ihrem eigenen Kongreß Ende nächster Woche beginnen würden. Torgyan selbst verkündete mittlerweile selbstbewußt, daß seine Partei das Zünglein an der Waage sei.
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