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Ungewollte Bankrotterklärung

 
     
 
Klaus Wowereit nimmt kein Blatt vor den Mund. Er redet gern und verweigert sich Fragen oder Interviews nur dann, wenn er wirklich mit den Nerven fertig ist. Sonst ist er flott mit den Worten, liebt die saloppe Ironie. Und manchmal sogar die reine Wahrheit. Im TV-Sender "N24" hätte er vergangene Woche aber besser darauf verzichtet, wahrheitsgemäß zu antworten.

Hat er aber nicht. Klaus Wowereit, unverheiratet und kinderlos, wurde gefragt, ob er seine Kinder in Kreuzberg
zur Schule schicken würde. "Nein", lautete die knappe Antwort des regierenden Bürgermeisters. Die Frage ist so hypothetisch, daß er ohne mit der Wimper zu zucken mit "Ja" hätte antworten können. Doch der Sozialdemokrat antwortet ehrlich, und das wird ihm jetzt zum Verhängnis.

Er setzt sogar noch nach: "Ich kann auch jeden verstehen, der sagt, daß er da seine Kinder nicht hinschickt." Eltern versuchten "selbstverständlich für ihre Kinder das Beste zu haben", zitiert ihn die Nachrichtenagentur ddp. Wowereit, der in Charlottenburg wohnt, würde seine Kinder also lieber dort oder im noblen Wilmersdorf oder dem hübschen Zehlendorf zur Schule schicken als in Kreuzberg oder im Wedding.

Kein Wunder, daß eine solche Aussage sofort empörte Reaktionen in der ganzen Stadt auslöst. Der grüne Bezirksbürgermeister von Kreuzberg-Friedrichshain, Frank Schulz, sprach von einer an "Arroganz kaum zu überbietenden katastrophalen Äußerung" und forderte eine Entschuldigung. Die grüne Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig ermahnte Wowereit, die Situation nicht durch unbedachte Äußerungen zu verschärfen.

Und Wowereits eigene Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei), die seit kurzem den wohlklingenden Titel "Integrationssenatorin" trägt, warnte vor Stigmatisierung von Brennpunktbezirken. Auch GEW und Schulleiter aus Kreuzberg reagierten giftig auf die Abkanzelung des Viertels.

Michael Müller, SPD-Landesparteichef von Wowereits Gnaden, äußerte die Meinung, es gebe "eine Reihe sehr guter Schulen mit engagierten Lehrern und Schülern" in den Problemstadtteilen. Namentlich nannte er keine.

Dafür behauptete er, für seine eigene Tochter gerade eine Schule in Kreuzberg zu suchen (er stammt aus dem benachbarten Bezirk Tempelhof). Die Berliner dürfen gespannt sein, ob er seine Tochter wirklich an einer solchen Schule anmeldet.

Für die Opposition sprach Friedbert Pflüger (CDU) von einer "Bankrotterklärung der SPD-Schul- und Integrationspolitik". Die SPD ist seit 1995 für das Schulressort verantwortlich. Im Rahmen der Neubildung des Senats hat Wowereit gerade den langjährigen Schulsenator Klaus Böger durch seinen Parteigenossen Jürgen Zöllner ersetzt. Dieser lehnte es ab, Wowereits Bekenntnis zu kommentieren.

Der Regierende Bürgermeister selbst ruderte indessen zurück, als ihm seine Antwort um die Ohren gehauen wurde. Erst ließ er seinen Sprecher Michael Donnermeyer verkünden, den Satz könne man "mißverstehen, wenn man ihn mißverstehen will". Die Berliner hofften vergeblich, daß Donnermeyer ihnen die unzähligen Möglichkeit aufzählt, was man unter einem "Nein" alles verstehen kann, außer - "nein". Schließlich entschuldigte sich Wowereit entnervt für seine Äußerung und nannte sie eine unglückliche Formulierung.

Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl im September 2006 war im Berliner Abgeordnetenhaus ein Streit entbrannt: Klaus Wowereit warf der FDP vor, eine Politik für die Besserverdienenden zu machen, für die oberen Zehntausend der Gesellschaft.

Martin Lindner, der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, antwortete sinngemäß, daß er das gar nicht müsse. Denn die "oberen Zehntausend" wüßten sehr gut für sich selbst zu sorgen. Die Superreichen lebten in den exquisiten Stadtvierteln und brächten ihre Kinder zu teuren Privatschulen.

Er, Lindner, mache in Wirklichkeit Politik für diejenigen, die es sich nicht leisten könnten, ihre Kinder zu solch teuren Bildungseinrichtungen zu schicken. Für diejenigen, die ihre Kinder auf staatlichen Schulen unterbringen müßten. Wowereit quittierte diese Äußerungen des Liberalen nur mit einem Kopfschütteln.

Statt auf die Einwände Lindners, die er nun nachträglich bestätigt hat, sachlich einzugehen, ließ sich der Regierende im Wahlkampf lieber als Propagandist von "Multikulti" und "Integration" feiern.

So besuchte er mit seiner Parteigenossin und Kandidatin Sigrid Klebba in Kreuzberg-Friedrichshain die Hunsrück-Grundschule. Die Schüler dort sind zu mehr als zwei Dritteln Ausländerkinder. Es gibt in dieser zur Ganztagsschule umgewandelten Bildungseinrichtung Werkstätten, Computer, ein Elterncafé. "Wowereit zeigte sich beeindruckt von der Situation vor Ort und bezeichnete die Hunsrück-Grundschule als "Musterschule ", ließ er hinterher auf der SPD-Internetseite verlauten.
 
     
     
 
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