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Eine der ursprünglichsten und ältesten Betätigungen des Menschen ist das Jagen. Die Jagd auf wildlebende Tiere begann bereits, als sich die Menschen zu Gemeinwesen zusammenschlossen und seßhaft wurden. Das Recht zu jagen ist an den Grundbesitz gebunden. Der Grundbesitzer ist der Jagdherr. Zusammenhängende Grundflächen bildeten einen Jagdbezirk.
Zum Jagdbezirk Vierbrücken gehörten die Gemarkungen der Gemeinden Vierbrücken, Teile von Ehrenwalde, Klein Lasken, Brodowen und Seeheim im Kreis Lyck. Pächter dieses Jagdbezirkes war Paul Bratzko. Paul Bratzko war Besitzer einer großen Kiesgrube. Den Jagdzins an die Jagdherren bezahlte er mit Kies. Die Jagdherren konnten zu jeder Zeit und ohne Genehmigung Kies aus der Kiesgrube entnehmen. Die Kiesadern waren sehr ergiebig und fast unerschöpflich.
Jedes Jahr im Dezember lud Paul Bratzko zu einer Treibjagd ein. An der Treibjagd beteiligten sich fast immer 20 Jäger und etwa 30 Treiber. Schon Tage vor dem Ereignis war die Treibjagd das große Thema in den verschiedenen Gemeinden.
Emil Scheminonek war in Sachen Jagd der Vertraute von Paul Bratzko. Zu seiner Aufgabe gehörte es unter anderem, für die Treibjagd die nötige Anzahl von Treibern zusammenzutrommeln. Im Winter war es nicht schwierig, die Burschen der Ortschaften für diese Tätigkeit zu begeistern. Sie waren zu der Zeit zum größten Teil ohne Beschäftigung und verdienten sich gerne die 1,50 RM für die Teilnahme an der Treibjagd. Für sie war es mehr ein Vergnügen und das Gefühl "dabeigewesen zu sein".
Der Tag stand an: Meistens bedeckte eine weiße Schneepracht die Flur. Wenn über Nacht dann noch Neuschnee gefallen war, lag dieser wie Kristall auf der vereisten Pracht.
Bereits bei Tagesanbruch versammelten sich die Treiber an der Mühle von Paul Bratzko. Waren alle eingetroffen, ging man gemächlich zu dem Gelände, auf dem die Jagd beginnen sollte. Die Jäger wurden auf einem Leiterwagen, der mit Sitzgelegenheiten versehen war, zum Ausgangspunkt der Jagd befördert. Das Treiben wurde in sogenannten Kesseln durchgeführt. Die Treiber nahmen Aufstellung parallel zum Kleinbahngleis etwa einen Kilometer, die Jäger anderthalb Kilometer am Waldrand Feuersenger/Rogowski.
Auf ein Hornsignal begann das Treiben. Mit Holzklappern und Has-Has-Rufen begann die Hatz auf den Mümmelmann. Schon hörte man die ersten Schüsse aus den Schrotflinten fallen. Zehn Mümmelmänner mußten ihr Leben lassen. Die Strecke wurde auf einem Leiterwagen, der mit Querstangen versehen war, transportiert. Die Hinterläufe der Hasen wurden in der Beuge zwischen Sehne und Knochen durchtrennt, durch den entstandenen Schlitz wurde ein Band gezogen und so wurde der Hase mit den Läufen nach oben an der Querstange aufgehängt.
Die Treiber nahmen nun die Stellungen ein, die zuvor die Jäger hatten. Die Jäger wurden mit dem Leiterwagen zu ihrem neuen Ausgangspunkt befördert. Es war die Waldstraße vom Heldenfriedhof in Richtung Klein Lasken. Wieder begann das Hornsignal und das Treiben von neuem. Das neue Gelände war ein Waldgelände, so daß auch Fuchs und Dachs den Jägern vor die Flinte getrieben werden konnten. Die Strecke bestand nun aus 15 Hasen, zwei Füchsen und einem Dachs.
Nach einer erneuten Aufstellung von Jägern und Treibern ging es nun von der Waldstraße in Richtung Brodowen. Wieder kündeten mehrere Schüsse vom Ende einiger Kreaturen. Die Strecke betrug hier 20 Hasen.
Ein weiterer Kessel reichte bis zum Ortsrand von Klein Lasken. Er führte über freies Feld. Hier konnten wir Treiber nun sehen, wie mancher Hase eine Ladung Schrot abbekam, zum letzten Hochsprung ansetzte und anschließend alle viere von sich streckte. Gute 25 Hasen wurden hier geschossen.
An Klein Lasken ging es nun vorbei in Richtung Seeheim. Es war Mittagszeit, und so wurde eine kleine Pause gemacht. Man sehe und staune: Die Treiber erhielten einen eingelegten Hering, eine dicke Scheibe Brot und einen Klaren! Die Jäger konnten bei einem Landwirt Platz nehmen. Denen wurde eine warme Erbsensuppe gereicht.
Da es sehr früh dunkel wurde, ging es bereits um halb zwei weiter. Die Treiber waren inzwischen schon etwas müde. Der Schnee und das Schneewasser hatten das Schuhwerk durchdrungen, so daß es schon recht ungemütlich wurde.
Nach zwei weiteren Kesseln begann es bereits langsam dunkel zu werden. Es wurde Zeit, die Treibjagd zu beenden.
Insgesamt wurden bei dieser Treibjagd 98 Hasen, zwei Füchse und ein Dachs erlegt. Der Jagdpächter war mit der Strecke zufrieden. Im Dorf, an der Mühle, erhielten die Treiber ihren nicht leicht verdienten Lohn 1,50 RM.
Mit nassen Schuhen und vor Kälte bibbernd, ging es nach Hause. Die älteren Treiber kehrten noch im Gasthaus ein und setzten ihren Lohn in Korn um. Die Jäger wurden in das Haus des Jagdpächters zum Schüsseltreiben eingeladen. Dort wurden die Jagd und die Ereignisse des Tages noch einmal durchleuchtet. Manch Jägersmann hat wohl auch ins Blaue geschossen, so daß der gute Mümmelmann entkommen und im nächsten Frühfahr für weitere Nachkommen in der Hasenfamilie sorgen konnte.
Halali!
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