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Der Tag geht zu Ende. Farben, Pinsel und Sorgen liegen hinter mir. Ich bin allein. Während ich der letzten rosa Wolke nachschaue, denke ich an das Bild von morgen. Unzählige Gedanken reihen sich aneinander, bis plötzlich ein Funke die Seele durchzuckt." Diese lyrischen Worte fand vor vielen Jahren Gianni Franceschetti über die Malerin Olga Minardo, Worte, die bis heute nichts von ihrem Ausdruck und Inhalt verloren haben. Bis aus einem Gedanken, aus einem Funken, der die Seele durchzuckt, allerdings ein Bild entsteht, mögen viele solcher Abende vergehen. Viel Phantasie und noch mehr künstlerisches Einfühlungsvermögen spürt der Betrachter der Bilder von Olga Minardo. Ingres, de Chirico, Dali, Magritte, Delveaux - an große Namen der Kunst fühlt man sich erinnert, und doch ist alles anders, eben typisch Minardo.
Doch halt, da muß man ergänzen Olga Minardo, denn zwei ihrer Schwestern (Anna, Malerin, Bildhauerin und Spezialistin für Mosaik, lebt heute in Melbourne und Katerina ist Malerin in Montreal) haben sich ebenfalls erfolgreich den schönen Künsten zugewandt. Die dritte Schwester Stefania ist Tänzerin und Choreographin geworden.
Olgas Schöpfungen sind deshalb wohl so "typisch", ohne für den Betrachter langweilig zu werden oder sich gar zu wiederholen, weil es meist zarte Frauengestalten sind, die sie darstellt. Frauen in anmutigen Posen, leicht erotisch, immer aber voller Poesie. In warmen Farben und mit leichter Hand, so scheint es, bringt sie ihre Motive auf Papier oder Leinwand. Kleine Formate sind Olgas Sache nicht. Wenn es auch nicht immer so große Arbeiten sind wie das Wandbild (3,50 Meter mal 4,50 Meter) in Lavacchio (Modena) oder das Panneau von 1,80 Meter mal 4,30 Meter für die Gärten von Piazza Vittorio in Rom. Die bisher größte Arbeit schuf Olga 1987 / 88 nach sechs Monaten Vorbereitung in acht Monaten ohne jegliche Hilfe: "Figuren im Rampenlicht" mißt 300 Quadratmeter und zeigt Persönlichkeiten aus Sport, Wissenschaft und Kunst. Es ist das größte Wandbild Italiens und in San Severino Marche in der Straße Settepedana zu sehen.
Eine ganz besondere Attraktion hat seit kurzer Zeit auch eine Arztpraxis im sizilianischen Ragusa den Patienten zu bieten. Das Wartezimmer von Dr. Salvatore Burrafato Giampiccolo schmückt nun ein Wandbild von Olga Minardo. Der Arzt und Kunstfreund besaß bereits einige Bilder der Künstlerin, als er sie bat, den Raum auszuschmücken. Thema der Arbeit: "Träume". Die typischen Minardo-Frauen geben sich in aller Ruhe der Muße hin. Sie strahlen eine ganz besondere Ruhe aus, wenn auch jeder eine Uhr zur Seite gestellt wurde. Zeit aber scheint für sie keine Bedeutung zu haben.
Die Stimmung der Bilder geht offensichtlich auch auf die Patienten über. Sie sind wie umgewandelt, und von allen Seiten hört der Dottore: "Das Wartezimmer ist ein kleines Paradies." Bleibt nur zu hoffen, daß sich dort nun nicht auch "eingebildete Kranke" einfinden, um das Bild zu bewundern ...
Olga Minardo jedoch wird sich freuen, hat sie doch genau den Ton getroffen, um die Menschen anzusprechen. Schließlich wollte sie ursprünglich gar keine Malerin werden. Tänzerin wollte sie werden wie ihre Schwester Stefania. Ein Unfall ließ diese Träume zunichte werden: "Ein Schritt, ein Sturz und viele Tränen. So endete ein Lebenstraum ..." Doch der Wille war stark, der "Wille zur Wiedergeburt": "Nicht mehr der Fuß, sondern die Hand gleitet in wechselvollem Rhythmus von Zeichen und Farbe über die Fläche, als Zeuge des unwiderstehlichen Zaubers der Kunst" (Franceschetti).
Die Atmosphäre nicht nur in ihrer Geburtsstadt Rom, sondern in Italien überhaupt prägt das künstlerische Schaffen der jungen Frau. "Das vulkanische, sizilianische Element in ihr wird vom nordischen Lebensgefühl temperiert", fand ein Kritiker, "und diese mitteleuropäische Erbschaft darf man beim Betrachten ihrer Werke nicht außer Acht lassen." Schließlich war der sizilianische Vater Guiseppe Minardo Maler. Und auch die ostdeutsche Mutter, Vera Macht aus Rostken, Kreis Johannisburg, und Ortelsburg, hat sich als Malerin weltweit einen Namen gemacht. In Olgas "Kompositionen halten sich Inspiration und ästhetisches Gefühl das Gleichgewicht", so der Kritiker weiter. "Die Phantasie drückt trotz strenger Linienführung im Sinne der besten italienischen Tradition ihren Gefallen an Lebendigkeit, an Farbe und Komposition von Figuren und Atmosphäre in spielerischer Art aus ... Die Künstlerin liefert uns eine Welt, die immer wieder frisch und herrlich ist, als wenn sie eben aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen wäre."- Wie wunderbar wäre es, wenn diese Kunst endlich auch einmal in Deutschland gezeigt würde. Ob sich für Olga Minardo und ihre Bilder ein Museum oder eine Galerie findet?
Peter van Lohuizen
Einfühlsame Künstlerin: Olga Minardo schuf zarte Frauenbildnisse wie die Serie "Frauen der Welt" (links) oder das Wandbild im Wartezimmer einer italienischen Arztpraxis (Ausschnitt). |
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