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Sie ist keine große Literatin, keine Virtuosin im Gebrauch des Wortes, und trotzdem zieht Ursula Cornelsen den Leser in ihren Bann. In "Elf Monate mit Renatchen - Durch Himmel und Hölle" berichtet die Autorin erst von ihrem Himmel, nämlich der Eheschließung mit "Jimchen", ihrem Verlobten. Selbst der Zweite Weltkrieg kann die 22jährige nicht beirren. Alles ist auf die Hochzeitsvorbereitungen ausgerichtet, und das Fest wird trotz aller äußeren Hindernisse ein großer Erfolg. Ursula tanzt zum Verdruß ihres Frischangetrauten sogar bis früh in den Morgen hinein und schläft dann auch noch völlig erschöpft ein, so daß er die Hochzeitsnacht erst gegen Mittag einlösen kann. Dies erzählt die Autorin so voller Schwung und Lebensfreude , daß einem die erfrischend natürliche Ursula sofort ans Herz wächst. Auch fiebert man mit ihr mit, ob es denn bei den kurzen Heimatbesuchen ihres Mannes endlich zur ersehnten Schwangerschaft gekommen ist. Trotz herannahender Front fühlt sie sich in Tilsit sicher und schwebt wie auf Wolken, als sich eine Schwangerschaft abzeichnet. Doch eine schwere Erkrankung läßt sie das Kind verlieren. Monatelang schleppt sie ihre Krankheit mit sich rum, doch dann wird sie zum zweiten Mal schwanger. Renatchen entwickelt sich im Bauch der Mutter, die fest davon überzeugt ist, daß sie ein Mädchen bekommt, wunderbar. Auch die Erlebnisse der Bombardierung Tilsits und die Sorge um die in der brennenden Stadt vermißten Geschwister übersteht die werdende Mutter, da sich schnell herausstellt, daß alle überlebt haben. Kurz vor der Niederkunft kommt es zur Flucht. Nahe Stettin soll die in Sachen Geburt naiv-unbedarfte Ursula Renatchen in einem Notkrankenhaus bekommen. Als Mutter und Kind bei der Geburt fast sterben, entscheidet sich der junge, unerfahrene Arzt auf Ursulas Drängen zum Kaiserschnitt, eine beinahe tödliche Bauchfellentzündung ist die Folge. Mit einer eiternden Wunde muß die junge Mutter im Fieberwahn fliehen. Nur durch Zufall entgehen Mutter und Kind dem Hungertod, da sie mit Sterbenden in einem Krankensaal allein zurückgelassen werden. Jimchen findet seine Ursula und geleitet die völlig Entkräftete nach Sachsen. Doch als sich alles zu normalisieren scheint, kommt es durch eine tragische Unachtsamkeit zum Tode des Säuglings.
Es ist so gut wie unmöglich, sich den von Ursula Cornelsen geschilderten Erlebnissen zu entziehen. Der ohne großes Brimborium geschilderte Kampf ums Überleben und ein Stückchen vom Glück der seelenvollen Ursula ist so ergreifend, daß man das Buch in einem Zuge durchliest. Fritz Hegelmann
Ursula Cornelsen: "Elf Monate mit Renatchen - Durch Himmel und Hölle", Frieling, Berlin 2004 broschiert, 160 Seiten, 8,80 Euro
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