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Er sah ihn wie selbstverständlich im Hof stehen, immer noch wie neu, bildschön, wie ein Nachbar damals bemerkte, als er ihn gerade gekauft hatte, bildschön und teuer. Als er ihn kaufte, war es endgültig vorbei mit den Sperenzchen, von wegen Oldtimer und ohne Telefon auf dem Land, abseits der umtriebigen Gesellschaft. Caspar, Melchior und Balthasar waren schon da, und Marie im siebten Monat. Der Oldtimer, Baujahr 57, brauchte 15 Liter Super verbleit und hatte nur fünf Plätze, die bei 100 Stundenkilometern zu schwimmen begannen. Gelegentlich blieb er stehen, weil sich in der Benzin leitung wohl Korrodiertes festgesetzt hatte - einmal voll beladen mit französischem Rotwein in der Mittagshitze. Das reichte endgültig.
Der neue Kombi paßte mit seinen beinahe fünf Metern Länge gerade so in die Garage. Breit lag er auf der Straße und beförderte seine stattliche Familie sicher und unübersehbar in die umtriebige Gesellschaft. Vom Kindergarten über die Grundschule zur Musikschule, über Fußball und Tennis zum Gymnasium, in die Ten-Sing-Abende und die Disko bis zu den Freundinnen. Das war vor zwölf Jahren. Und immer noch stand er da, bildschön, in den Pfingstferien, mitten im silbrigen Olivenhain unter sanft geschwungenen Höhenzügen, über denen Pinien und Zypressen die wellige Landschaft stylten. Toskana natürlich.
Der Kombi paßte ganz besonders hierher, mit einer funktionsgerechten optimierten Technik, die zugleich schön war, möglicherweise sogar wegen ihrer Funktionalität, was dann das Weiterführende wäre, das Moderne vor dieser althergebrachten Renaissancekulisse. Marie war vor zwölf Jahren geboren worden, die Urlaube an der Nord- und Ostsee für die Kleinen, immer mit dem Kombi, voll gepackt bis auf den Sitz hinten rückwärts im Kofferraum, der bei den Kindern so lange beliebt blieb, wie sie nicht gerade anstießen an der Decke. Später fuhren sie an die Müritz, in die Oberlausitz und nach Thüringen, nun schon so mobil, daß die ganze Familie (mit gelegentlichem Widerwillen der herangewachsenen Museumsverächter) auf den Spuren Fontanes und Goethes wanderte. Schließlich dann die langen Strecken an den Atlantik oder ans Mittelmeer, mit sechs Personen, die immer mehr Platz brauchten, immer abwegigere Musik hörten, bis der Älteste im nächsten Jahr nicht mehr mitfuhr, da war er 17, und Melchior sich bereits mit 16 abmeldete, so daß der Kombi einfach so ohne Rück-bank bepackt werden konnte, schneller wurde, bequemer. Das Ferienhaus wurde zu groß für nunmehr nur noch drei Personen. Ja, die Ferien hörten gewissermaßen auf, und waren nur noch in den Fotoalben zu besichtigen. Aber der Kombi stand immer noch da, bildschön, geräumig im Hof, vollgepackt mit Erinnerungen, mit Kindersitzen und Keksbröseln, mit Streitereien um die besten Plätze, mit Volksliedern, mit Rock und Rap, und dann schon mal der Älteste selbst am Steuer.
Da kamen langsam wieder die Sperenzchen - kein Oldtimer mehr, aber ein Coupé, klein, spritzig, rot vielleicht - warum eigentlich nicht rot? Bißchen teuer - aber der Kombi wird in Zahlung genommen und nicht einmal so schlecht - obwohl weit unter seinem eigentlichen Wert und sowieso nicht mit Geld zu bezahlen. Oder kann man Leben in Zahlung geben?
Jetzt steht der Kombi wieder im Hof, aber weit, weit östlicher, vor einem zerfallenen Schloß, dort auf dem zugewucherten Kies, auf dem die Landauer früher vorfuhren und die Damen ihre großen Hüte festhalten mußten im Wind, und die offenen Mercedes und Morgans zuletzt.
Er steht immer noch bildschön da, alles noch original, kaum Reparaturen, strahlt ab, suggeriert etwas von der einstigen Schönheit des alten Schlosses, des Gesindehauses auch, in dem die Familie mit fünf Kindern lebt, die mit sieben Personen den ganzen Rücksitz braucht, hinten im Kofferraum, und mit dem Gepäck auf das Dach ausweichen muß.
Wenn sie starten, fröhlich und laut, Richtung Nikolaiken oder Angerburg, reißt die Grasnarbe auf bis auf den Kies, gelegentlich, bei dem Gewicht und der Geschwindigkeit.
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