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Sein warmes, strahlendes Rot hat nicht nur Maler, sondern auch schon viele Dichter inspiriert. Wenn die Abendsonne die Mauern gewaltiger Kirchen und Burgen mit ihrem unvergleichlichen Licht umhüllte, dann schien der Backstein von innen zu glühen. Agnes Miegel fand für St. Marien in Danzig Dichterworte, die Normalsterbliche verstummen lassen: "Aller Hansestädte prächtigste war und ist mein./ Aller Ostlandskirchen mächtigste war ich und werde ich sein!/ Zweihundert Jahre wob ich mein Purpurkleid./ Zu den Wolken hob ich, schwer, stumpf und breit,/ meines kantigen Turmes Backsteinwucht./ Wahrzeichen aller Schiffer, blick ich über die Bucht ..."
Backstein, dieser für Nord- und Ostdeutschland so typische Baustoff, hat über die Jahrhunderte eine unvergleichliche Kulturlandschaft geschaffen. Die gewaltige Marienburg etwa läßt noch heute den Reisenden vor Ehrfurcht leise erschauern. Dorfkirchen und große Dome, Rathäuser und Bürgerhäuser, Speicher und Stadtmauern wurden aus Abermillionen Backsteinen errichtet. Wenn man bedenkt, daß jeder dieser Steine etwa sieben Kilo wiegt, ist das auch aus technischer Hinsicht eine großartige Leistung.
Backsteinarchitekt ur entstand in erster Linie aus einer Not heraus: Norddeutschland hatte als Baumaterial kaum Naturstein zu bieten, jedoch genügend Lehm, eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Schon im alten Mesopotamien nutzte man Lehmziegel zum Bauen der Häuser. Eine Technik, die heute noch verwandt wird und die in den von Erdbeben erschütterten Gebieten für die Bewohner eine Gefahr bedeutet, wie man an den vielen Toten in der Stadt Bam erst kürzlich erkennen konnte.
Die Römer schließlich entwickelten die Backsteinherstellung zur Perfektion. Aus Oberitalien gelangte das Wissen um diese Technik über die Alpen bis nach Deutschland. Ein Wissen, das Siedler vor allem entlang der Ostseeküste verbreiteten. Und so findet man in diesem Bereich noch heute die glanzvollsten Beispiele norddeutscher Backsteinarchitektur.
Der kaufmännische Erfolg der in der Hanse vereinten Städte brachte geradezu einen "Bauboom" mit sich. Macht und Reichtum wurden durch stattliche Häuser (mit großen Speichern für die Waren) und gewaltige Kirchen demonstriert. "In Lübeck wurden innerhalb von gut 100 Jahren gleichzeitig der Dom und die Bürgerkirche St. Marien nicht nur errichtet, sondern mehrfach umgebaut", so Gottfried Kiesow, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, in seinem Buch Wege zur Backsteingotik (MONUMENTE-Publikationen, Dürenstraße 8, 53173 Bonn, 220 Seiten, 400 meist farbige Abbildungen, Klappbroschur, 12,90 Euro). "Die Stadt Wismar", erläuert Kiesow weiter, "mit St. Marien, St. Nikolai und St. Georgen unterhielt rund 100 Jahre lang gleichzeitig drei Großbaustellen, dazu entstanden Bürgerhäuser und die mächtige Stadtmauer aus Mil- lionen von Ziegeln. An diesen enormen Bauleistungen wird die wirtschaftliche Kraft, die hinter diesen Vorhaben steckt, deutlich ..." In drei übersichtlich gestalteten Kapiteln schildert Kiesow anhand von Beispielen aus Meck-lenburg-Vorpommern lebendig die Geschichte der Back-steingotik, gibt einen kompakten Überblick über Geschichte und Ausdehnung der Han- se, beschreibt auch die Herstellung von Backsteinen und stellt die verschiedenen Bauformen vor. Die Zeitreise führt den Leser von der Romanik zur Gotik und über die Nachfolgebauten der Lübecker Marienkirche bis zum Ausklang der Gotik. Touristische Reisewege geleiten den kulturell Interessierten auf der Küstenroute von Lübeck über Wismar, Rostock und Stralsund bis nach Greifswald und Wolgast, oder auf der mittleren Route von Schwerin über Güstrow nach Friedland; ein dritter Weg geht von Lübeck über Parchim, Waren und die Mecklenburgische Seenplatte bis nach Neubrandenburg. "Auch eine Europäische Route wird mittelfristig entstehen", kündigt Kiesow an, so daß man hoffen darf, einmal auch den Backsteinbauten im alten Ost- und Westpreußen zu begegnen, wenn auch nicht mehr viel von den nach dem Krieg geschundenen Kirchen übrig sein dürfte. Daß es auch anders geht, daß private Initiative zerstörte Kirchen retten kann, sieht man einmal am Königsberger Dom, zum anderen aber auch an vielen kleinen Kirchen im Land. So hat eine Hamburger Schule es sich zur Aufgabe gemacht, eine Dorfkirche im Kreis Parchim zu retten. Seit einigen Jahren schon sind Schüler verschiedener Jahrgänge dabei, dieses Gotteshaus zu retten; mit Erfolg, wie man in dem Video Backsteingotik in Mecklenburg-Vorpommern (im selben Verlag erhältlich; VHS, 59:30 Minuten, 9,90 Euro) sehen kann. Der Film von Monika Schepeler ist eine Produktion des NDR und wurde bereits mit Erfolg im Fernsehen ausgestrahlt. In atemberaubenden Bildern erfährt der Zuschauer die Größe der sakralen und weltlichen Bauten, doch wird der Blick auch auf feine Details gelenkt, auf die der unbefangene Betrachter nicht ohne weiteres aufmerksam geworden wäre. Man schaut Ziegelmachern und Gewölbemaurern über die Schulter und erfährt, mit wieviel Mühe die im Zweiten Weltkrieg und in der Zeit danach arg zerstörte Kirche St. Georgen in Wismar wiederhergestellt wird.
Dieses Gotteshaus war das erste Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in den neuen Ländern. Seit 1990 wird hier gearbeitet - ebenfalls mit Erfolg. Davon kann man sich vom 3. April bis 31. Oktober überzeugen, denn dann wird in St. Georgen die Ausstellung "Wege zur Backsteingotik" präsentiert. "Die Ausstellung zeigt die Grundlagen der Backsteinarchitektur - Glaube und Religion im Mittelalter", so erläutern die Verantwortlichen. "Sie vermittelt die Geschichte des Christentums als geistiges Fundament der Backsteinkirchen. Auch findet man dort historische Backsteine und Formsteine von der ,Europäischen Route der Backsteingotik , die die gesamte Region rund um die Ostsee in den Blick nimmt."
Funktion und Schönheit verbinden sich in der Backsteinarchitektur vergangener Jahrhunderte zu einem harmonischen Ganzen. Die ungewöhnliche Dichte an diesen Bauten in Norddeutschland ist einzigartig. Neugierig zu machen auf diese Einzigartigkeit, auf die Eigenart und Geschichte der Regionen in einem geeinten Europa, das ist auch die Aufgabe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. "Denn nur wer die Werte unserer Kulturlandschaft kennt", so betont Gottfried Kiesow, "ist bereit, sich für ihren Erhalt einzusetzen." Helga Steinberg
St. Georgen in Wismar: Eindrucksvolles Beispiel deutscher Backsteingotik und Standort einer Ausstellung zu diesem Thema /font>
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