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Wenn es knarzt und knirscht

 
     
 
Es knarzt und knirscht zum Gotterbarmen, als sich die Besucher durch die "heiligen Hallen" des alten Schlosses schieben. In langen Reihen ziehen sie durch die Räume, bleiben vor einzelnen Kunstwerken stehen und bestaunen die Kostbarkeiten. Daß gerade sie, die Besucher, diese Kostbarkeiten in ihrem Bestand gefährden, ist kaum einem der Kunstfreunde
klar. Warum auch, tragen sie doch sogar eigens dicke Filzpantoffeln über ihren Straßenschuhen, um die Fußböden zu schonen. Aber gerade diese Filzpantoffeln, die wir als Kinder bei einem Museums- oder Schloßbesuch besonders geliebt haben, tragen die Gefahren in sich. Sie schaden meist mehr als sie nützen. Der Schmutz an den Straßenschuhen fällt nach und nach ab und aus dem Pantoffel. Die nachfolgenden Besucher verteilen dann den feinen Sand in den Räumen. Es knarzt und knirscht ... Darüber hinaus nehmen die Filzpantoffeln oft auch brüchige Partikel aus den Fußböden auf und drücken diese weiter in den Untergrund. In Schloß Sanssouci zum Beispiel ziehen täglich bis zu 1.500 Besucher durch die Räume, das sind 3.000 Pantoffeln am Tag. Experten schätzen, daß seit den 20er Jahren, als die Schlösser der Öffentlichkeit zum Besuch freigegeben wurden, rund 40 Millionen Füße über Marmor und Parkett schlurften und ihre Spuren hinterließen. Wie lange es tatsächlich Filzpantoffeln in Preußens Schlössern gibt, läßt sich nicht mehr genau nachvollziehen. Allerdings gibt es ein Foto aus der Zeit 1870/71, das am Eingang zur Orangerie in Sanssouci einen Haufen solcher Pantoffeln zeigt, so als hätten Besucher sie "von den Füßen an die Wand geschleudert".

Die starke Beanspruchung der Pantoffeln bringt es mit sich, daß heute 300 bis 500 Paare jährlich neu bestellt werden müssen. Jeden Tag werden die guten Stücke sorgfältig von Schmutz und Staub befreit - einzeln mit dem Staubsauger. Eine "Pantoffelklopfmaschine", wie sie im Keller des Neuen Palais steht, bringt eher Unheil als die Lösung des Problems, weil sie den Dreck nicht nur wieder gleichmäßig auf den Pantoffeln verteilt sondern auch in der Umgebung. Auch Plastiküberschuhe sind keine Lösung, da sie als Wegwerfartikel zu teuer sind und außerdem große Müllberge verursachen.

Restauratoren wie Stefan Klappenbach von der Restaurierungswerkstatt für Skulpturen, aber auch "Herr" über 3.500 Quadratmeter Fußboden in den Häusern der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (spsg), klagen über zunehmende Abnutzung. Ein über 200 Jahre altes Stück aus dem Fußboden im Marmorsaal von Schloß Sanssouci ist heute knapp 2 Millimeter stark, ursprünglich dürfte es 1,5 bis 2 Zentimeter dick gewesen sein. "Gleich dünnem Eis zerbrechen die auf dem krümelig gewordenen Schmelzkleber liegenden 2 bis 10 Millimeter starken Buntmarmore", erläutert Klappenbach die Ursachen der Schäden in der Festschrift zur Wiedereröffnung der Bildergalerie in Sanssouci. "Der grauweiß gewölkte Bardiglio hatte dazu seine kristalline Bindung verloren und zerfiel an hohlen Stellen zuckerähnlich. Das Öl der damals zur Reinigung verwendeten, getränkten Holzspäne konnte in die offenen Poren des kranken Steins eindringen und führte so zu Verfärbungen. Die sich aus dem Oberflächenverband lösenden Partikel fanden in den Filzpantoffelsohlen der Besucher Halt und beschleunigten die Fehlstellenbildung."

In der Bildergalerie fand man bei der Wiedereröffnung 1996 eine Lösung des Problems, indem man eine Glasbrücke über die besonders gefährdeten Fußböden legte. So können die Besucher nun von dort aus die Gemälde betrachten, aber auch den kostbaren Fußboden bewundern. Nicht immer eignet sich eine solche Glasbrücke, die Fußböden vor der Abnutzung zu bewahren. Aber auch schützende Textilien bergen Gefahren in sich, kann sich einerseits Kondenswasser unter ihnen bilden oder doch Staub durchlassen. Eine Projektgruppe der spsg arbeitet derzeit an der Lösung des Problems und hat als erste konkrete Maßnahme eine sogenannte "Sauberlaufzone" mit Fußabtretern im Außenbereich von Schloß Sanssouci eingerichtet. Ob das allerdings das Ende der Pantoffeln bedeutet, bleibt dahingestellt.

"Präventive Konservierung", wie Fachleute ihre Bemühungen nennen, Kunstwerke vor dem Zerfall zu retten, ist mehr denn je in Schlössern und Museen angesagt. Vor allem die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg steht da vor einem großen Problem, hat sie doch die Verantwortung nicht nur für einzelne Häuser sondern für ganze Ensembles.

Das Erbe der Vergangenheit muß jedoch, allen Gefahren zum Trotz, den Besuchern der Gegenwart zugänglich gemacht werden. Und so haben sich Fachleute einmal mehr Gedanken gemacht, dieses Erbe vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen. Luftbefeuchter und Luftentfeuchter, Heizleisten, die temperierte Wände schaffen, hermetisch abgeschlossene Klimavitrinen oder Kühlgeräte tun seit langem das Ihre. Auch UV-Strahlen, die Papier braun färben, Seidenstoffe ausbleichen und Gewebe brüchig machen, sind eine große Gefahr, die man relativ früh erkannte. So zeigen historische Abbildungen des 18. und 19. Jahrhunderts schon Außenmarkisen an den Schlössern Sanssouci und Babelsberg. Kaiser Wilhelm II. ließ eigens zum Schutz der kostbaren Seidenbespannungen ein dunkelrotes Gewebe mit Krönchen anfertigen, staubdicht und lichtabweisend, das so wirkungsvoll ist, daß die Stiftung es jetzt wieder herstellen läßt.

Um die wertvollen Textilien vor dem Zerfall zu retten, will die Stiftung jetzt gemeinsam mit dem Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e.V. einen Vorhangstoff entwickeln, der die aggressiven UV-Strahlen absorbiert, darüber hinaus durch Aluminiumbeschichtung das Raumklima günstig beeinflußt und dennoch dem Besucher den Blick aus dem Fenster ermöglicht. Bis dahin müssen Freunde der kostbaren Textilien oft mit Kopien vorlieb nehmen oder haben nur für begrenzte Zeit die Möglichkeit, die Schätze zu bestaunen.

Textilien, Bilder, Möbel haben die Jahrhunderte überstanden, oft auch Kriege und Naturkatastrophen. Sollen sie jetzt durch das durchaus berechtigte Interesse der Kunstfreunde zerstört werden? So ist denn zu hoffen, daß moderne Technik und das intensive Bestreben der Wissenschaftler erfolgreich sein werden, das Erbe der Vergangenheit zu erhalten. Peter van Lohuizen

Kostbare Fußböden: Filzpantoffeln helfen nicht immer, diese Kunstwerke aus Marmor und Holz zu schützen. Foto: spsg/Pfauder

 
     
     
 
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