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Verdorrend brennt die Sonne auf den Feldern und zuckend krümmt sich jeder Halm. Die Weide streckt die matten Zweige lechzend zum Graben hin, wo übelriechend nur ein zäher Schleim sich langsam trocknend um die Schilfe windet.
Und wie der Sonne Strahlen sengend Gräser und Blumen fällen, mäht unbarmherzig Pest die Stöhnenden und Keuchenden zur Erde, die fliehend suchten zu entrinnen der Gefahr, mitschleppend sie im Saum der staub gen Kleidung.
Weiter! - Und endlich brechen sie zusammen, wohin sie sich geschleppt mit letzter Kraft. - Am Schober auf der Wiese, das duft ge Heu verpestend mit ihres letzten Odems Hauch. Am Haus, Erbarmung flehend, noch die Hand zur Klinke reckend. Und dort im Brunnen - schmachtend nach dem kühlen Trunk - hineingesunken.
"Die Pest im Dorf!! Weh den Verdammten, die über Nacht hineingeschleppt die halbverwesten Körper. Nun schaufelt, grabt! Zum Totenberg mit ihnen, eh noch wir alle mitgerafft! Am Haus, vorn auf der Steinbank, den Kopf hint über an die Wand gestützt, hockt eine Leiche noch. Ein Spielmann! Seht, er hält die Geige just als wollt ein Lied er spielen uns zum Hohn auf all das Sterben. Seht, wie der Kerl die Zähne bleckt! Verflucht sei er in Ewigkeit, konnt er nicht still verrecken?!" Die Karren mahlen durch den Sand. Die Sonne brennt. Die Toten kollern in die Gruben. Und Sommerwind trägt das Geläut der Glocke n in die Weite. -
Zum Cholerakirchhof führt ein schmaler Weg. Zu beiden Seiten nicken gold ne Ähren still, und wie ein Wächter steht ein alter Apfelbaum. Die Kinder spielen sommers in dem warmen Sand der ausgefahrenen Gruben. Manchmal, daß eins ein bleichend Knöchlein hebt und lachend damit spielt. Sie winden Kränze sich aus bunten Blumen und laufen keck durch das Gestrüpp
des wilden Flieders, der wuchernd sich verbreitert auf den Hügeln. Da schreckt eins auf. "De Fledermus!" Es nimmt Reißaus. Darauf das andere nach. Die bunten vielgeflickten Röckchen fliegen um die Waden. Das Gras bebt leicht von ihren Tritten nach. -
Der Abend kommt. Die Nebeltücher wehen. Des Wollgras seid ge Flöckchen werden feucht und schwer. Es schließen sich die Sterne der Maßliebchen. Nachtkerzen breiten ihre samtenen Blätter dem Mond entgegen, ein süßer Duft entsteigt den gelben Kelchen.
Wie still es ist! Die Enten ziehen durch die Nacht. Du siehst sie nicht, doch ihre Schwingen singen. Eintönig rupft das Vieh das Gras. Und blattverborgen schluchzt die letzte Nachtigall. Der Nebel steigt. Mondstrahlen zittern leicht durch das Gewebe.
Und lauschend hebt der Fuchs den schmalen Kopf und streckt sich weiter aus der Röhre. Er starrt - und sieht auf ein Gebilde, menschenähnlich, das schattenhaft aufschwebt aus dem Geäst des wilden Flieders. Es hebt den Arm, die Geige unters Kinn, und eine sanfte Melodie ergießt sich in die Gruben, in die Felder. Es lauscht der Fuchs. Es stockt der Schlag der Nachtigall fernab im Busch. Es hält das Vieh im Fressen inne und senkt die breitgestirnten Köpfe wie im Traum. Strandnelken wiegen ihre blauen Krönchen. -
Und nun noch einmal klingt die Weise wieder. Doch niemand kommt. Wer sollt wohl tanzen? Dem trat ein Gaul den Schädel ein. Ein Kind verwarf im Spiel die Knochen. Der Fuchs zerbrach beim Graben seines Baus die modernden Gerippe. Die Geige schweigt. Der Spielmann sitzt und sinnt, grau, einer Fledermaus vergleichbar: "Kommt niemand mehr von denen, die mit mir sind ins Grab gesunken?" -
Im Osten schimmert rötlich Licht in schmalen Streifen - das Morgengrau n vertreibt das trübe Nebellicht und alle Schatten weichen ...
Die Autorin Edda Barczewski-Stadie (1907-1970) war die jüngste Tochter des Pfarrers Dr. phil. Johannes Stadie, der lange in Groß-Zünder amtierte und 1925 als Aramäist an die Protestantische Fakultät in Riga berufen wurde, aber im selben Jahr starb. Die Schriftstellerin Ellen Alpsten, die 2003 mit ihrem Roman über Katharina die Große bekannt wurde, ist ihre Enkelin. |
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