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Einem Ruf der großen Opernhäuser in Berlin und Königsberg folgend, machte sich der berühmte Opernsänger Leo Slezak von Wien aus auf die weite Reise. Dies tat er allerdings in recht merkwürdiger Weise, indem ihm vor Abgang des Schnellzuges von der Garderobiere des Wiener Opernhauses ein mit starkem Bindfaden verschnürtes Paket übergeben worden war. In diesem befand sich nicht etwa eine lukullische Torte, die er übrigens in ungeheuren Mengen verzehrte, auch nicht eine Flasche Wein aus der Wachau, sondern die Krone des Propheten, ein altangesehenes Requisit.
Leo Slezak war darüber entsetzt: Die schöne Krone mit den vielen Steinen und dem wunderbaren Hermelinbesatz - wie leicht konnte da etwas verbogen und für immer aus der Fasson gebracht werden! Was sollte er in diesem Fall nur tun?
Da fielen ihm die vielen Hutschachteln seiner Frau ein, die mit ihm auf diese Gastspielreise ging. Noch in derselben Minute leerte er kurzentschlossen eine von ihnen und legte mit allergrößter Vorsicht die als Theaterrequisit so kostbare Krone hinein. Da er ja für eine Auslandstournee seinerzeit verpflichtet wurde, mußte er die Grenze passieren ... Mitten in der Nacht rollte der Expreß an die Grenze: zwei Zollbeamte traten in sein Abteil, um die Pässe der Reisenden zu kontrollieren. Doch dann war die Zoll-Visitation an der Reihe: Mit wahren Luchsaugen durchsuchten die Beamten der Reihe nach jedes einzelne Gepäckstück.
"Nichts zu verzollen?" frage man den Opernsänger.
"Nein, rein gar nichts!"
"Bitte öffnen Sie doch einmal die riesengroße Hutschachtel Ihrer Gattin", sagte ein Neunmalkluger.
Der berühmte Opernsänger kam sogleich der Bitte nach, innerlich kochte er allerdings vor Wut, äußerlich blieb er hingegen freundlich und öffnete den gewissenhaft verschnürten Karton vor den Augen der gestrengen Zollbeamten. Jede seiner Bewegungen wurde von den beiden Herren voller Mißtrauen beobachtet.
Als dann aber die eindrucksvolle, hermelinbesetzte "Krone des Propheten" zum Vorschein kam, knickten die beiden Zollbeamten förmlich zusammen. Auf der Stelle nahmen sie eine stramme Haltung an und sagten unterwürfig: "Danke gehorsamst; Hoheit wollen die kleine Störung gnädigst entschuldigen!" R. Jun |
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