Wir wissen nicht mehr wer bei uns lebt

Die Datenbasis, auf der Verwaltung und Politik in Deutschland planen, ist nach Auffassung des „Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung“ kaum noch verläßlich. Grund: Die letzte Volkszählung fand in der damaligen DDR 1981 und in der Bundesrepublik 1987 statt. „Wir wissen nicht mehr, wer in diesem Land lebt“, kritisiert Institutsdirektor Reiner Klingholz. Besonders fehlerhaft sei die Ausländerstatistik.

Die Vereinten Nationen empfehlen Volkszählungen im Abstand von etwa zehn Jahren. Die meisten EU-Länder haben die letzte Zählung im Jahre 2001 durchgeführt.

Deutschland hingegen verläßt sich auf jährliche Stichprobenerhebungen, den sogenannten „Mikrozensus“, der nach wie vor auf den alten Daten der letzten umfassenden Zählung beruhen. Dabei werden in etwa vier Prozent der Gemeinden Deutschlands (höchstens 570 von insgesamt rund 14500) und in etwa zwei Prozent der Gebäude (maximal 38000 von insgesamt rund 16,4 Millionen) Befragungen durchgeführt und mit den Daten des Einwohnermelderegisters verglichen, um „Karteileichen“ aufzudecken. Die Ergebnisse werden dann hochgerechnet.

Es ist äußerst strittig, ob auf diese Weise wirklich brauchbare Daten für ganz Deutschland ermittelt werden. Das Statistische Bundesamt in Wiebaden empfiehlt daher eingehende Qualitätsuntersuchungen. Schon aufgrund der beträchtlichen Wanderungsbewegungen nach der Vereinigung und der erheblichen Zuwanderung

von Aussiedlern und Ausländern in den 90er Jahren bestehe für Deutschland dringender Bedarf an einer neuen „Inventur“.

Das Berlin-Institut bezweifelt den Sinn von Stichproben-Erhebungen, sie seien schlicht zu unsicher. Auf Volkszählungen werde nicht aus fachlichen Gründen verzichtet, sondern allein wegen befürchteter „Akzeptanzprobleme“ in Teilen der Bevölkerung. Verläßliche Daten aber seien für die Politik wie für die Wirtschaft unentbehrlich für eine vernünftige Zukunftsplanung. (HH)