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Wirbel um neue Verfassung

 
     
 
In der Regel wird ein Literaturpreis für einen Roman, ein Gedicht oder auch ein Drama verliehen. Daß auch eine Verfassung mit einem Literaturpreis bedacht wird, ist eine Seltenheit.

In Italien wird in der nächsten Woche die italienische Verfassung mit dem „Premio Strega“, einer der wichtigsten literarischen Auszeichnungen, prämiert.

Anlaß dieser symbolischen Handlung ist nicht nur der 60. Geburtstag der Republik, sondern auch die Tatsache, daß die geplante neue Verfassung unter Federführung des ehemaligen Ministerpräsidenten Berlusconi entstanden ist. Dieser Verfassungstext wurde im November des vergangenen Jahres von der kürzlich abgewählt
en Mitte-Rechts-Regierung auf Mehrheitsbasis beschlossen. Da sich die Opposition jedoch nicht mit der neuen Verfassung einverstanden erklärte, hatte sie ein Referendum durchgesetzt. Aus diesem Grund sind die Italiener am 25. und 26. Juni dazu aufgerufen, mittels Referendum über die Verfassungsreform abzustimmen.

„Devolution“ ist das Schlagwort, das den Regionen mehr Autonomie verleihen soll. So sollen die Bereiche Gesundheit, Schule und Polizei nicht mehr wie bisher zentral von Rom, sondern von den Regionen aus in finanzieller Eigenregie verwaltet werden. Da Italien durch ein sehr starkes soziales Nord-Süd-Gefälle geprägt ist, hat eine solche Änderung auch zur Folge, daß ein Kranker in Palermo schlechtere Chancen auf Heilung hätte als in Mailand.

Ein besonders wichtiger Punkt der neuen Verfassung ist, daß der Ministerpräsident mit mehr Macht ausgestattet werden soll. Bisher ist es so, daß der Ministerpräsident vom Präsidenten der Republik ernannt wird. Nach der neuen Verfassung soll er direkt vom Volk im Zuge der Parlamentswahlen gewählt werden können. Außerdem soll er Minister bestellen, abrufen sowie die Kammern des Parlaments auflösen können. Diese Aufgaben liegen bisher beim Präsidenten der Republik. Der Ministerpräsident würde, wenn es nach der neuen Verfassung ginge, nicht mehr wie bisher das Vertrauen der Kammern benötigen, um regieren zu können.

Wächst die Macht des Ministerpräsidenten nach der neuen Verfassung, so wird der Präsident in seinen politischen Kompetenzen eingeschränkt: Er ist nicht mehr die letzte Instanz, die über Gesetze entscheidet, die Kammern auflöst und den Ministerpräsidenten ernennt.

Reformiert werden sollen auch das Zwei-Kammern-System, welches aus Parlament und Senat besteht. Bisher setzte sich das Parlament aus 630 Abgeordneten zusammen. Laut Gesetzesentwurf soll die Anzahl der Parlamentarier aus Kostengründen auf 518 reduziert werden. Der Senat, der die Interessen der Regionen vertritt, würde künftig nur noch 200 statt 315 Senatoren zählen. Abgeschafft werden würden auch das Amt des Senators auf Lebenszeit, von denen es derzeit fünf gibt.

Für den vor kurzem abgewählten Ministerpräsidenten Berlusconi ist das Referendum eine Verlängerung des Wahlkampfes. In seinen TV-Kanälen „Rete4“, „Italia 1“ und „Canale 5“ laufen Kampagnen, in denen die Wähler aufgerufen werden, für die neue Verfassung zu stimmen, um der Linken eine Lektion zu erteilen. Genannt wird bei diesen Kampagnen jedoch nur der Punkt, in dem es darum geht, die Anzahl der Abgeordneten und Senatoren zu reduzieren. Ein Punkt, über den man sich in Italien relativ einig ist.

Der Ex-Präsident Azeglio Ciampi, von der Rechten wie der Linken gleichermaßen geschätzt, hatte sich in den vergangenen Tagen in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ entschieden gegen die neue Verfassung ausgesprochen. Er sei von den Grundwerten und der Stabilität der alten Verfassung überzeugt. Mit dieser Aussage hatte er sich den Groll der Rechten – insbesondere des Lega-Nord-Chefs Umberto Bossi – zugezogen, dessen erklärtes politisches Ziel von jeher die „Devolution“ ist.

Bei diesem Volksentscheid ist ein Mindestwahlbeteiligung nicht erforderlich. Bisher sieht es danach aus, daß die Wähler der Empfehlung ihres ehemaligen Präsidenten Ciampi folgen werden, gegen die neue Verfassung zu stimmen.

Berlusconi macht viel Werbung für "seine" Verfassung

Dezentralisierung – Mehr Macht für die Regionen
 
     
     
 
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