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Ich heiße Signhild. Meine Mutter hat meinen Stiefvater mit einem Messer getötet, aber ich kann nichts dafür.“ Dies sind Signhilds Worte, als sie sich zur Einschulung der Klasse vorstellt.
Wieviel Zeit und Geduld es sie und vor allem ihren Großvater gekostet hat, daß sie diese Sätze frei von Scham, und ohne die Gespenster der Vergangenheit heraufzubeschwören, auszusprechen vermag, weiß natürlich keiner der neuen Mitschüler.
Mißhandelt und verängstigt hatte der Großvater damals die kleine Signhild in deren Elternhaus unter einem Bett vorgefunden und sie zu sich genommen.
Die Tragik, daß es zu all dem kommen konnte, ist auch für ihn nur schwer begreiflich.
„Für die Fürsorgerin war es eine Wohnung, ein Zuhause, das sie über mehrere Jahre regelmäßig besucht hatte, eines von vielen ... Im nachhinein machte sie sich nun Vorwürfe, die Zeichen nicht richtig gedeutet zu haben. Den scheuen Blick des Kindes, den noch scheueren der Mutter. Kein Augenkontakt, wie bei unterwürfigen Hunden. Die Jovialität des Mannes, seine Gesprächigkeit, einschmeichelnd, aber tief in der Kehle eine Art unüberhörbares Knurren ... Auch der Großvater des Kindes wird sich für den Rest seines Lebens mit denselben vollständig zwecklosen Gedanken plagen ... Er steht hinter dem Polizist en, der den Tatort aufschließt, und sie betreten das, was mehrere Jahre lang das Zuhause seiner Tochter war und ihr Leben lang das der Enkeltochter ... Er starrt auf den dunklen Fleck getrockneten Blutes und unbeschreibliche Trauer erfüllt ihn.“
Als der Großvater sich auf den Heimweg macht, ist er nicht allein. Neben ihm trottet ein kleines, schmutziges und abgemagertes Mädchen. Einige Zeit und viele Märchen wird es dauern, bis er in Signhilds Welt wird durchdringen können, um sie in seine zurückzuholen.
Ein sehr anrührendes trauriges Buch, das jedoch durch die grenzenlose Liebe des Großvaters zu seiner Enkeltochter gleichzeitig Wärme und Nähe vermittelt.
Der Leser begleitet Signhild durch ihre Kindheit. Er fühlt den Schmerz und den Horror, die die Erinnerungen in dem Mädchen hervorrufen. Doch spürt er auch die Hoffnung und die Freude, die ihr das Leben beim Großvater bescheren.
Oft wird das Kind den Großvater fragen, warum es immer wieder diese bösen Gedanken und Träume hat, bis der Tag kommen wird, an dem der Großvater ihr die Wahrheit sagen und sie ihre Mutter wiedersehen wird.
Margaret Skjelbred hat mit „Die Perlenkönigin“ einen Roman geschrieben, der dem Leser unter die Haut geht und der angesichts von in letzter Zeit bekannt gewordenen Fällen von Kindesmißhandlung wie im Falle der kleinen Jessica aus Hamburg auch einen tiefrealen Hintergrund hat.
Margaret Skjelbred: „Die Perlenkönigin“, dtv premium, München 2006, 238 Seiten, 14 Euro |
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