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Fast zeitgleich mit Wien wurde vorige Woche auch in Prag eine neue Regierung gebildet. Premierminister Mirek Topolánek dürfte es aber um einiges schwerer haben als sein österreichischer Kollege. Denn die Dreier-Koalition aus Topoláneks eigener Partei ODS sowie aus Christdemokraten und Grünen verfügt über nur 100 der 200 Parlamentssitze, und in der ODS selbst gärt es, weil "die wichtigsten Ministerien" an die kleinen Koalitionspartner gehen - das Finanz- und das für EU-Gelder zuständige Regionalministerium an die Christdemokraten und das Außenministerium an die Grünen. Es ist also mehr als fraglich, ob Topolánek die innerhalb von 30 Tagen erforderliche Vertrauensabstimmung übersteht.
Bei den Wahlen vom Juni 2006 hatten die regierenden Sozialdemokraten ihre relative Mehrheit verloren. Die liberal-konservative Bürgerpartei ODS errang zwar 81 Mandate, aber die ausersehenen Koalitionspartner schnitten schwach ab - die Christdemokraten mit 13 und die Grünen mit sechs Sitzen. Seither herrschte eine Pattsituation. Staatspräsident Václav Klaus, der als Chef der ODS von 1992 bis 1997 Ministerpräsident gewesen war, tat sein Möglichstes, um die ungeliebte Regierungsvariante zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, und auch bei der Ernennung selbst sparte er nicht mit süffisanten Bemerkungen.
Besonderer Stein des Anstoßes war und ist für den Präsidenten die Bestellung von Fürst Karl zu Schwarzenberg zum Außenminister, wobei verschiedene sachliche und persönliche Gründe mitspielen. Schwarzenberg, Jahrgang 1937, entstammt einer Nebenlinie des fränkischen Geschlechts. Er floh 1948 mit seinen Eltern nach Wien und wurde später vom Chef der Hauptlinie, der selbst keine männlichen Erben hatte, adoptiert. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in Österreich und ist bis heute als "Kari" Teil des Wiener Gesellschaftslebens. Er ist tschechischer und Schweizer Staatsbürger, die österreichische Staatsbürgerschaft hatte er aber nie.
Nach der Wende betonte er sein Tschechentum - tatsächlich spricht er perfekt Tschechisch - wurde Kabinetts-Chef ("Kanzler") von Präsident Václav Havel und erhielt als Tscheche die von den Kommunisten enteigneten Familienbesitzungen zurück. Letzteres brachte ihm bei den Tschechen selbst - und wohl auch bei vielen aus anderen Gründen Enteigneten - nicht nur Sympathien ein. Schwarzenberg ist heute ein Grüner. Für Klaus ist Schwarzenberg aber auch zu "österreichisch", und ein Hauptstreitpunkt zwischen den beiden Nachbarländern ist nun einmal das grenznahe südböhmische AKW Temelín, gegen das alle österreichischen Parteien, besonders heftig aber die Grünen seit Jahren mobil machen. Nun, vielleicht gibt es ohnehin ein Mißtrauensvotum und dann nach Neuwahlen eine "große" Koalition.
Der tschechische Adel war in der Zeit der "Glaubenskriege", die im Grunde nur religiös verbrämte Raubkriege der Reichsfürsten und mancher Nachbarn waren, teilweise "ausgewechselt" worden: Die Güter protestantischer Adeliger wurden eingezogen und an katholische Adelige aus dem Reich und aus anderen habsburgischen Landen weitergegeben.
Foto: Teil des Wiener Gesellschaftslebens |
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