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Gail S. Halvorsen, der Autor von "Kaugummi und Schokolade", war 1948 im Rahmen der Luftbrücke eingesetzt, um die sowjetische Blockade gegen West-Berlin zu durchkreuzen und die dortige Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Kinder, mit denen er am Flughafen Berlin-Tempelhof zusammenkam, wußten, die Luftbrücke bedeutete für sie ihr Überleben, und sie erkannten angesichts der politischen Zustände im Ostteil ihrer Stadt auch schon den Wert der Freiheit. Daß ihnen diese wichtiger war, sie nicht um Süßigkeiten bettelten und frei von Selbstmitleid waren, "machte mich fassungslos", so der Autor. Zum Abschied schenkte er ihnen seine zwei letzten Streifen Kaugummi; "diese haben mein ganzes Leben verändert", schreibt er weiter. Denn die Kinderaugen blieben unvergessen.
So sammelten er und einige Kameraden Schokolade und Kaugummi, das sie kurz vor ihrer Landung abwarfen. Die Päckchen waren mit kleinen Fallschirmen aus Taschentüchern versehen; als Signal hatte er versprochen, mit den Flügeln seines Flugzeuges zu wackeln. Dann fiel einem US-Reporter ein solches "Himmelsgeschenk" fast auf den Kopf, was er wiederum in Europa und den USA publik machte. Was kaum zu erwarten war: Ein US-General schimpfte nicht über die eigenmächtige Aktion, sondern gratulierte! Der Rhein-Main-Flughafen stellte sogleich Sekretärinnen zur Verfügung, die die Berge von Post zu bearbeiten hatten - nicht nur von Berliner Kindern, auch Spenden von US-Soldaten aus West-Deutschland und sogar von Schulen sowie von großzügigen Firmen in den USA!
Nunmehr wurden die Süßigkeiten tonnenweise über der eingeschlossenen Stadt abgeworfen. Sehr bald wurde der Autor zum Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte befohlen, um in New York in Fernsehsendungen über seine Aktion zu berichten. Sommer 1970 wurde er Kommandant des Flughafens Tempelhof sowie der Vertreter der US-Luftwaffe in Berlin. Vier Jahre später trat er als Colonel nach mehr als 8000 Flugstunden in den Ruhestand, dekoriert mit etlichen US-Auszeichnungen und auch dem deutschen Bundesverdienstkreuz. Im Februar 2002 durfte er bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City das Namensschild des inzwischen wiedervereinigten Deutschlands in Stadion tragen.
"Mein Weg", resümiert er, "hatte seinen Anfang genommen mit zwei Streifen Kaugummi. Die Berliner Kinder haben mich gelehrt, dankbar zu sein für alles, was mir das Leben schenkt, vor allem aber für die Freiheit."
Gail S. Halvorsen: "Kaugummi und Schokolade", Edition Grüntal, Berlin 2005, 224 Seiten, 19,60 Euro |
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