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Auf dem Umschlagbild des Buches fahren ein Trabi und ein Volkswagen auseinander. Peter Richter, 1973 in Dresden geboren, Journalist, studierte Anfang der 90er Jahre an der Universität Hamburg Kunstgeschichte. Heute lebt er in Berlin, der, wie er es nennt, "Werkstatt der Teilung". Erst 1989/90 beginne die eigentliche Geschichte der Ostdeutschen; seither hätten sie ein spezifisches Bewußtsein entwickelt. Parallel dazu, glaubt Richter, idealisieren zahlreiche Westdeutsche die "Alt-BRD" und trauern ihr nach.
Im Westen entdeckte auch Richter seine ostdeutsche Mentalität. Die neudeutsche "Diskussionskultur" spalte die Republik "wie eine zweite, ins Hinterland versetzte Berliner Mauer". Zwar weckt dieser Aperitif erst einmal die Neugier des Lesers; aber der Hauptgang bietet fast nur bröselige Erdnüsse.
Hamburg verdrießt ihn. Dort strahlen blank und weiß die Häuser des Geldadels. Deren "aseptische Schönheit" verblasse angesichts grauer, aber lebendiger Dresdener Villen. "Falschheit, Kälte und Häme" kennzeichnen die Stadt an der Alster, zitiert er einen ehemaligen DDR-Flüchtling. Aber auch die neuen Länder finden wenig Gnade. Wimmelte es 1990 im Osten vor lauter "Kleptomanen", so gilt dem Autor heute Dresden als Hauptstützpunkt der Rechtsradikalen.
Eine Hamburger "antifaschistische" Wohngemeinschaft zeigte Fotos des zerstörten Dresden vom Februar 1945. Darunter stand zu lesen: "Bomber Harris said: I would do it again. We say: do it now!" Hält Richter so etwas für charakteristisch? Der Osten Deutschlands verfalle biologisch, glaubt ein anderer. "Die Starken, Schönen, Guten wandern ab. Was bleibt ist: genetischer Schrott." Damit sind die geistreichsten Partien des Buches ausgeschöpft. Es folgt wirre Schreiberei über "reiche Mün-chner Arschlöcher", welche die Frisur von Michel Friedmann trügen, Hochbetten, west- / östliche Sexualpraktiken und Redeweisen. Beim "Oktoberfest-Anstich" stellt Richter die tiefsinnige Frage, "warum eigentlich niemand mal hingeht, den Anzapfhammer nimmt und so einem Burschen in sein Bierfaßgesicht haut; aber ein paar Maßkrüge später ist mir das dann meistens auch fast wieder egal. So viel zu meinen klassenkämpferischen Impulsen". Woher nur soll der Leser den "Impuls" nehmen, solchen Reflexionen bis zum tristen Ende zu folgen?
Kurzzeitig verschlug es Richter in das frühere Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia. Deutsche, die hier leben, verklären angeblich die Kolonialepoche wie heutige Bewohner von "Deutsch-Nordost" die DDR romantisieren. Kaum jemand dürfte diesen absurden Querverweis ernstnehmen.
Inmitten der Wüstenei schimmert wenigstens die Oase eines selbstkritischen Ansatzes: Bevor "jemand einwendet, daß das hier nun wirklich keine Kulturkämpfe, sondern allenfalls Albernheiten sind, sage ich lieber gleich selber: Eben, ganz genauso ist es". Zu bemängeln ist nur, daß dieser Satz nicht in der Einleitung steht.
Dokumentarische Qualität sucht der Leser vergebens. Als feuilletonistischen Beitrag kann man Richters Essay kaum einstufen; dazu fehlt der analytische Zugriff. Immerhin verdeutlicht der Autor, wie notwendig es ist, die erste Phase der deutschen Einheit wissenschaftlich und literarisch aufzuarbeiten. Rolf Helfert
Peter Richter: "Blühende Landschaften. Eine Heimatkunde", Goldmann Verlag, München 2004, 220 Seiten, 17,90 Euro
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