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Der Skandal um die Büchervernichtung aus der öffentlichen Bibliothek im Haus der Heimat in Stuttgart weitet sich aus. Wie jetzt bekannt wurde, sind seinerzeit auf Veranlassung des damaligen SPD-Innenministers des Landes Baden-Württemberg, Frieder Birzele, nicht nur circa 700 Publikationen aus dem Bestand der Bibliothek entfernt und vernichtet worden. Hunderte weiterer Bücher und Publikationen wurden darüber hinaus aus den Regalen ausgesondert. Als "Sondersammlung" befinden sich diese Werke heute im Haus der Heimat. Obwohl auch dieser Tatbestand dem BdV bekannt ist, schweigt dieser ebenso wie der Innenminister Schäuble (CDU).
In mehreren parlamentarischen Initiativen hatten die Republikaner seit Jahren die Offenlegung aller Titel der vernichteten Werke aus der Vertriebenenbücherei gefordert. Die Aufdeckung dieser Vorgänge im führte daraufhin zu engagierten Reaktionen von seiten der Vertriebenen. Möglicherweise dadurch aufgeschreckt, kam die Landesregierung in ihrer Antwort vom 18. März 1999 auf einen weiteren Beschlußantrag der REP-Fraktion (DS 12/3783) der Forderung nach Bekanntgabe der Titel endlich nach und veröffentlichte die Liste aller vernichteten Publikationen. Dabei ist festzustellen, daß es sich bei vielen der eingestampften Titel um Schriften handelt, die sich mit der Geschichte, dem politischen System der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren "DDR" beschäftigen. Neben Werken über den Nationalsozialismus, die beidenWeltkriege, Ostdeutschland, die Teilung, den 17. Juni 1953 und den 13. August 1961 finden sich unter den Reißwolfopfern Autoren wie Ernst-Wolfgang Böckenförde, Martin Broszat, Allan Bullock, Werner Conze, Theodor Fontane, Sebastian Haffner, Hans Herzfeld, Andreas Hillgruber, Alfred Kantorowicz, Heinrich Lummer, Armin Mohler, Percy Ernst Schramm oder Caspar Schrenk-Notzing. Nach Ansicht der Landesregierung handelt es sich bei der Bibliothek im Haus der Heimat um eine ostdeutsche Spezialbibliothek mit regionaler Bedeutung für Baden-Württemberg: "Die Bibliothek sammelt, archiviert und dokumentiert wichtiges und repräsentatives Schrifttum sowie audio-visuelle Medien und Karten" im Rahmen besonderer Sammelschwerpunkte, welche im Zuge der Neuordnung der Bibliothek festgelegt worden seien. Diesen Sammelschwerpunkten hätten zahlreiche Publikationen nicht mehr entsprochen, die daraufhin vernichtet worden seien.
Die Antwort der Landesregierung kann jedoch weder von der massiven staatlichen Einflußnahme auf die Ausstattung dieser öffentlichen Bibliothek ablenken, noch ist sie dazu geeignet, die Vernichtung von Publikationen zu rechtfertigen. In keinem Fall ist eine Vernichtung Hunderter von Büchern damit zu begründen, daß diese inhaltlich überholt seien. Darüber hinaus hat dieser von massiver Vernebelungstaktik begleitete Vorgang der Landesregierung inzwischen eine neue Dimension erhalten. Wie jetzt bekannt wurde, waren nicht etwa nur die 700 später vernichteten Publikationen aus dem Bestand der Bibliothek ausgesondert worden. Insgesamt hatte man etwa 1500 Bücher aussortiert. Etwa 800 Titel sollen nach Angaben des Ministeriums in einer "Sondersammlung" zusammengefaßt worden sein.
Die Republikaner im Landtag nahmen dies zum Anlaß für eine weitere Anfrage (DS 12/3972). Hierin wird ein Ende der Verschleierungspolitik um die Vorgänge um die Neustrukturierung der Stuttgarter Bibliothek verlangt. Wie im Fall der vernichteten Publikationen wird die Offenlegung aller Titel gefordert, die als Sondersammlung zusammengefaßt wurden. Die Landesregierung soll darüber hinaus dezidiert darlegen, warum es die Sondersammlung überhaupt gibt und wer Zugangsberechtigung zur Benutzung dieser Sammlung erhalten kann. "Die Selektierung dieser Publikationen erfolgte ohne Absprache mit den Vertretungen der Freundeskreisen oder dem damaligen Leiter des Hauses der Heimat, Albert Reich", betonte der Abgeordnete Christian Käs. "Dieser in der Geschichte der Bundesrepublik hoffentlich einzigartige Vorgang eines staatlichen Einwirkens auf den Bestand einer öffentlichen Bibliothek verlangt vollständige Aufklärung."
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