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Für Regierung und Opposition naht die Stunde der Wahrheit. Lassen sich Umfrageergebnisse und Montagsdemonstrationen noch "interpretieren", so ist an ausgezählten Wählerstimmen nicht mehr zu rütteln. Zwar wird der Aufgalopp an diesem Sonntag im Saarland noch nicht zu wesentlich neuen Erkenntnissen verhelfen - alle Experten gehen davon aus, daß die alte Mehrheit auch die neue sein und CDU-Ministerpräsident Peter Müller weiterregieren wird. Das große Zittern aber erfaßt die Politiker, wenn sie an den Abend des 19. September denken.
In Brandenburg und in Sachsen geht es nämlich nicht nur darum, in welchem Umfang die Sozialdemokraten wieder einmal für die Berliner Reformpolitik abgestraft werden. Und auch nicht nur darum, ob die CDU von der Schwäche der Bundesregierung profitieren kann oder - nach dem Motto: mitgefangen, mitgehangen - ebenfalls Federn lassen muß. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht die Frage: Wie schneidet die PDS ab?
Vor allem in Brandenburg ist das Rennen völlig offen. Ein Fortbestand der derzeitigen SPD-geführten Großen Koalition gilt als am wenigsten wahrscheinlich. Jörg Schönbohm, Innenminister und CDU-Spitzenkandidat, wird wohl nicht die absolute Mehrheit schaffen, kann aber auf eine Große Koalition unter seiner Führung hoffen. Aber was, wenn die SED-Erben auf der Welle des montäglichen Volkszornes zu einem Wahlergebnis getragen werden, das eine Regierungsbildung ohne oder gegen sie quasi unmöglich macht?
Solche Sorgen braucht sich der Amtsverteidiger in Sachsen nicht zu machen. Die wegen Hartz IV aufgeheizte Stimmung kann zwar das Ergebnis für Ministerpräsident Milbradt noch etwas verschlechtern, die absolute Mehrheit der Mandate - und damit der Auftrag, allein weiter zu regieren - aber scheint sicher. Dafür droht ihm die demokratische Opposition abhanden zu kommen - die SPD rutscht unter zehn Prozent.
Wie die anhaltenden Protestaktionen in den Neuen Ländern mit dem vorläufigen Tiefpunkt des Lafontaine-Auftritts, sich auf die Wahlbeteiligung auswirken, ist völlig ungewiß. Die meisten Experten vermuten, daß viele potentielle Nichtwähler sich nun doch noch entschließen, ihre Stimme einer der typischen "Protestparteien" zu geben. Das dürfte in aller Regel der PDS zugute kommen, die jetzt schon in Sachsen bei 22 Prozent und in Brandenburg sogar als stärkste Partei bei 29 Prozent gehandelt wird.
Den Parteien am rechten Rand räumen die jüngsten Prognosen keine Chancen ein, von der Proteststimmung zu profitieren. Mit allenfalls vier Prozent dürften NPD (in Sachsen) und DVU (in Brandenburg) an der Fünfprozenthürde scheitern, was stramme "Antifaschisten" freilich nicht hindert, den Wahlkampf mit eindringlichen Warnungen vor der "rechten Gefahr" zu bereichern. Zittern muß auch die FDP, während die Grünen darauf setzen können, für die auch von ihnen mitverantwortete Berliner Regierungspolitik nicht verantwortlich gemacht zu werden. Juliane Meier
Der Wahlkampf hat begonnen: Im eher Bush-kritisch eingestellten Deutschland dürften die Menschenmassen, die vergangenes Wochenende in New Yorks Straßen gegen die Kriegspolitik des amtierenden Präsidenten demonstriert haben, die Hoffnung auf einen baldigen Wechsel im Weißen Haus geweckt haben. Doch weit gefehlt. Bushs Wiederwahl ist trotz des Irakdebakels gar nicht so unwahrscheinlich.
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