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In verführerischem Pink lockte der spitze, vorne geschlossene, hinten nur mit einem hauchdünnen Riemchen gehaltene Sommerschuh schon aus der Ferne. Am Fuß selbst machte er diesen zierlich schlank, und die acht Zentimeter hohen Absätze zogen die etwas zu kurzen Beine in eine unendlich scheinende Länge. Bei jedem Schritt wiegten sich die Hüften weiblich. Der Preis war schließlich auch vertretbar.
"Na, wenn das man keinen Hallux Valgus gibt." - "Hallux Valgus", fragte die Ertappte ihre sie begleitende Freundin. "Sag mal, liest du denn keine Frauenzeitschriften? Das ist die häufigste Zehfehlstellung beim Menschen, meistens von falschem Schuhwerk verursacht."
Aber nicht nur Frauenzeitschriften informieren über Fußkrankheiten, auch das parallel zur gleichnamigen WDR-Fernsehsendung erschienene Buch "Fitte Füße - Tips, Tricks und Rezepte" (vgs, 142 Seiten, 14,90 Euro) von Alexa Witte und Anne Welsing nimmt sich dieses viel zu sehr vernachlässigten Themas an.
Ein ganzes Buch nur über Füße, mag jetzt so mancher verwundert fragen. Zahlreiche Orthopäden hingegen bedauern vermutlich eher, daß das Buch nicht noch ausführlicher ist, denn sie haben immer mehr Patient innen mit Fußfehlstellungen. Experten gehen davon aus, daß allein vier von zehn Frauen über 45 Jahren unter einem schmerzhaften Hallux Valgus leiden. Hier rächen sich vor allem die spitzen und hohen Schuhe aus den Jugendtagen, denn Männer sind weitaus seltener betroffen. Deswegen rät die Autorin Alexa Iwan, dieses Buch auch schon zu lesen und ihren Rat zu befolgen, wenn man noch keine Fußschmerzen hat.
Allerdings weiß auch die Verfasserin, daß Schuhe gerade für Frauen ein wichtiges Mode- und Stilmittel sind. Passende Schuhe geben der Bekleidung erst das gewisse Etwas. Obwohl jede Frau früher oder später merkt, daß längeres Gehen auf hohen Absätzen unbequem ist, achtet sie jedoch selten auf die ersten Warnzeichen. Und wie heißt es so schön: Wer schön sein will, muß leiden. Tückisch ist nur, daß die Füße sich manchmal erst Jahrzehnte nach der Tortur rächen. Nicht von ungefähr sind deswegen mehr als zwei Drittel aller Fußpatienten in orthopädischen Praxen Frauen. Aber auch Turnschuhe mit einer zu weichen Sohle und einem falschen Fußbett können ihren Tribut fordern, deswegen rät die studierte Ernährungswissenschaftlerin Iwan, spätestens "zu Hause raus aus den Schuhen und rein in die Puschen" oder am besten barfuß gehen.
Daß sich der menschliche Fuß erst im Laufe des Lebens häufig so krankhaft verändert, belegt eine Statistik. Sie besagt, daß 97 Prozent der Menschen mit vollkommen gesunden Füßen zur Welt kommen. Babyfüße besitzen noch Reflexe, die allerdings wie etwa der Greifreflex mit den Jahren verloren gehen. Mit 14 Jahren sind die Füße dann im Gegensatz zum restlichen Körper schon voll ausgewachsen, was vor allem bei manchem Jungen zu unschönen Proportionen führt: noch Körpergröße 1,62 Meter, schon Schuhgröße 46.
Viel zu oft werden Füße heute vernachlässigt. Die wenigsten Menschen finden diesen Köperteil schön. Daß dieser aber das ganze Körpergewicht trägt, das Gleichgewicht mit austariert und durch sein Muskel- und Sehnenspiel die kompliziertesten Bewegungsabläufe erst möglich macht, wird dabei stets übersehen. Selbst beim Stehen kommen die Füße nicht zur Ruhe, denn drei Viertel des Körpergewichts lasten auf der Ferse, ein Viertel auf dem Vorfuß. Hohe Schuhe verändern jedoch dieses natürliche Verhältnis. Die Hacke hebt sich, der Vorfuß muß die Belastung tragen, wobei den Zehen eine tragende und nicht mehr ausgleichende Funktion zukommt. Verformungen sind hier programmiert. Aber auch die Sehnen werden unnatürlich verkürzt beziehungsweise verlängert. Sportmediziner behaupten sogar, daß der Mensch durch sein Schuhwerk grundsätzlich seinen natürlichen Gang verloren hat. Da sich die Füße nicht von heute auf morgen, sondern fast unmerklich über Jahre hinweg verändern, sollte man schon die kleinsten Schmerzen zur Kenntnis nehmen und gegensteuern. Verhornungen, Schwielen und Hühneraugen zeigen, an welchen Stellen der Fuß zu stark belastet wurde. Auch häufig getragene Schuhe geben einen Hinweis darauf, wo der Schuhtechniker durch Einlagen dem Verfall entgegenwirken kann.
Ob Absinken des Längsgewölbes, hier alle Formen von Senkfuß oder Plattfuß, oder Absinken des vorderen Quergewölbes, hier Spreizfuß, Hammer-, Krallen- oder Ballenzeh - wer seine Beschwerden nicht ernst nimmt, bekommt im Alter Probleme beim Gehen und muß früher oder später in schmerzvollen Operationen wieder einigermaßen "geradegebogen" werden. So werden beispielsweise bei einer steifen Großzehe (Hallux rigidus) überstehendes Knochengewebe entfernt, Gelenke verkürzt oder ganz entfernt. Benachbarte Knochen werden mit Draht und Schrauben festgebunden, so daß sie zusammenwachsen.
Bis es soweit jedoch kommt, kann man durch gute Schuhe, muskelkräftigende Gymnastik, Einlagen, Dehnungsmassagen und Fußwechselbäder den Beschwerden entgegenwirken. Hier weist Alexa Iwan ausdrücklich darauf hin, daß hohe Schuhe nicht grundsätzlich verboten sind, sie dürfen eben nur nicht ausschließlich getragen werden, und der Fuß muß eine Belohnung für die ihm zugemuteten Strapazen in Form von Pflege und ausgewogener Ernährung erhalten. Letztere ist durchaus auch für die Füße wichtig. So empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin das Wort "Diät" aus dem Wortschatz zu streichen. Nicht der Kaloriengehalt, sondern die in den Nahrungsmitteln enthaltenen Nährstoffe zählen. So helfen Gemüse und eiweißreiche Lebensmittel wie Milch, Käse, Fisch und Fleisch gegen Fuß- und Nagelpilz. Wer unter Arthrose leidet, sollte allerdings Fleisch meiden, da bestimmte Fettsäuren aus tierischen Lebensmitteln Entzündungen in den Gelenken stimulieren.
"129 Seiten über Füße ... Wer hätte gedacht, daß es so viel zu dem Thema zu sagen gibt", stellt Alexa Iwan am Ende des Buches selbst verwundert fest. Wer es liest, wird spätestens dann erkennen, daß gesunde Füße auch ein Stück Freiheit sind. Fritz Hegelmann
Die Schwäche vieler Frauen: Schuhe mit dem gewissen Pfiff. Doch sind sie auch gesund, die Pumps mit dem hohen Absatz? |
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