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Auf immer stigmatisiert?

 
     
 
Warum der in Königsberg geborene Historiker Michael Salewski sein Werk "Deutschland und der Zweite Weltkrieg" genannt hat, dürfte sein Geheimnis sein. Es ist ein langatmiges Buch, mit wenig Neuem, allenfalls intelligenten Gedanken und Verknüpfungen. Es ist ganz das Gegenteil seines Erstlingswerkes "Die Seekriegsleitung 1935-45", Frankfurt 1970. Hierin bereitete Salewski einfühlsam eine Seite deutscher Geschichte auf, bei der man mit Gewinn die Ereignisse um den Untergang des Reiches verfolgen kann.

Mit seinem bisher letzten Werk hat der Vielschreiber Salewski, ein - wie es scheint - spät gewordener 68er, auch das Gebiet gefunden, wo er mit vollen Händen Schuld und Verdammnis auf Deutschland und seine Repräsentanten im Dritten Reich
aufhäufen kann. Die offizielle deutsche Geschichtspolitik hat er voll inhaliert.

Exemplarisch ist sein Schluß: "Der Nationalsozialismus, das von ihm geschaffene ‚Dritte Reich und der von ihm entfesselte Zweite Weltkrieg stellen eines der größten, wenn nicht das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte dar. Und es hilft nichts, wir sind die Kinder, Enkel und Urenkel jener, die dieses Verbrechen begangen oder doch geduldet haben. Sippenhaft gibt es so wenig wie Kollektivschuld, aber das, was jene Altvorderen anrichteten, stigmatisiert die deutsche Nation moralisch in Zeit und Ewigkeit."

Zur "Beweisführung" für dieses vernichtende Urteil bedient Salewski sich einer Überfülle vermerkter Literatur, so als stütze sie seine Behauptungen. Meist jedoch fehlen die direkten Bezüge. Seine echten Quellen sind dünn.

Grundlage für Salewskis Werk war eine Vorlesung an der Kieler Universität 2001/02. Es sei "so gewesen", wie bei ihm dargestellt, meint der Autor, dies Kolleg sei sein "Zweiter Weltkrieg". Wo sein Ort unter der Weltkriegsliteratur sei, "wird sich finden". Dies Buch gehört aber eher zu "Titel, Thesen, Temperamente", jedoch keineswegs zur fundierten aufgearbeiteten Forschung.

Methodisch bedient sich Salewski überwiegend der Einerseits-andererseits-Argumentation, mit der er brilliert. Doch stets ist mit dem "andererseits" das deutsche Verhalten gemeint, das seinen Tadel auf sich zieht, seien es die Kirchen, die politischen Bewegungen, die zeitgenössischen Strömungen bei den Literaten, Wissenschaftlern oder Künstlern, sei es die Bildung, der Militarismus, die Generalität, die Diplomatie, das Volk und Hitler persönlich. Ein Buch voller kritischer Banalitäten, die ein kriegerisches, verurteilungswertes Bild von Deutschland schaffen. Nirgends findet sich eine Aufhellung, daß der von allen Seiten bekämpfte und geknebelte Staat mit seiner Bevölkerung, ohne Hoffnung auf ein dauerhaftes Nachkriegsleben, vielleicht doch mildernde Umstände finden könnte.

Wo man sich ein breites Abwägen gewünscht hätte, endet als Verursacher stets nur Deutschland. Gleichgültig ob vorher, im Krieg oder hinterher, die Deutschen sind die Schuldigen. Kaum Tadel über Versailles 1919, den Einfall ins Rheinland, weniger über polnische Überfälle und deren Repressalien nach Westen wie nach Osten; in seiner Brisanz unbeachtet das sowjetische Vorgehen gegen Polen, Finnland, die Besetzung des Baltikums, die Erpressung Rumäniens mit Bessarabien und der Nordbukowina, was das deutsche Vorgehen entlasten könnte. Wenn Hitler ein Einzelverursacher gewesen ist, der den Zweiten Weltkrieg entfesselt hat, warum ist es dann zu einem Weltbrand gekommen, bei dem es genügend Brandstifter überall in der Welt gegeben hat, die begierig dabei waren, mit Benzin und trockenem Holz zu löschen?

Bei Salewski findet sich nichts zu den Schlächtereien der Bolschewiken nach 1917, nichts über Stalins Mord- und Todesopfer mit Millionenheeren in Zwangslagern, nichts über Mao Tse Tungs Versklavungen, Hinrichtungen und Todesfoltern. Das Elend ist zu groß auf der Welt, da braucht man noch nicht einmal die hilflosen deutschen Opfer des Bombenkrieges, die entrechteten Gefangenen, die grausamen Vertreibungen und Morde der Besatzer aufzählen. Dies alles scheint mir das "größte Menschheitsverbrechen" zu relativieren. Hans-Otto Ebner

Michael Salewski: "Deutschland und der Zweite Weltkrieg", Schönigh, Paderborn 2005, geb., 437 Seiten, 39,90 Euro 5503
 
     
     
 
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