Aufruhr im Vielvölkerstaat

Wenn von Tschechen und Deutschen die Rede ist, so denken viele zugleich an den Zweiten Weltkrieg, an die Sudeten, Böhmen und Mähren, an die Benesch-Dekrete und die Vertreibung der Deutschen aus ihrer dortigen Heimat. Dabei hat es schon Jahrzehnte vorher im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn

rumort. Österreicher, Ungarn, Tschechen, Deutsche, Slowaken und Madjaren, um nur einige der vielen Völker zu nennen, bewohnten das Kaiserreich.

Spätestens mit dem Beginn der russischen Revolution sahen besonders die Führer der Tschechen die Zeit für eine Republik unter tschechischer Führung gekommen, aber auch schon Jahre zuvor bildete sich um Tomás Masaryk eine Gruppe vor allem gebildeter Tschechen, die die Unabhängigkeit forderten.

Das Buch "Der Erste Weltkrieg und die Beziehungen zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen" beinhaltet zu diesem Thema mehrere Texte anerkannter Wissenschaftler, die sich mit der Einstellung und den Aktivitäten der verschiedenen Völker von der Idee bis zur Bildung der Tschechoslowakei befaßt. Der Unabhängigkeitsdrang der Tschechen wird in den Texten deutlich herausgestellt. Es wird aber auch belegt, daß beispielsweise die Slowaken sich eher zögerlich in das Projekt "Tschechoslowakei" einließen. Sie wußten nicht, ob der Verbleib im Kaiserreich oder Unabhängigkeit unter der Fuchtel der selbstbewußten Tschechen für sie das kleinere Übel darstellte. Die Deutschen, Madjaren und Ungarn hingegen waren ihrer Monarchie meist treu ergeben.

Die Probleme der Region werden in dieser Textsammlung dargelegt, doch geschieht das so, daß vor allem der schon Vorinformierte daraus schlau wird, da die Autoren viel Vorwissen voraussetzten. Fritz Hegelmann

Hans Mommsen, Dusan Kovác (Hrsg.), "Der Erste Weltkrieg und die Beziehungen zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen", Klartext, Essen 2001, Hardcover, 330 Seiten, 19,90 Eur