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Am 11. Juli fand in den Räumen des Deutschen Vereins in Lötzen ein Gespräch zwischen dem Bundesvorstand der Freundeskreis Ostdeutschland und 22 Vorsitzenden von Deutschen Vereinen aus dem südlichen Ostdeutschland mit dem Vorstand des Dachverbandes Ostdeutschland statt.
Der LO-Bundesvorstand wurde durch dessen Mitglieder Stephan Grigat und Uta Lüttich sowie die Neidenburger Kreisvertreterin Marion Haedge vertreten, für den Dachverband Ostdeutschland waren sein Vorsitzender Eckhard Werner, dessen Stellvertreter Henryk Hoch und drei weitere Vorstandsmitglieder erschienen.
Dieses als Aussprachetagung konzipierte Treffen war während der LO-Arbeitstagung in Bischofsburg Ende Februar vom Vorsitzenden der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) Hans Biernatowski angeregt worden; diese Anregung war dann von allen anderen Vorsitzenden der Deutschen Vereine aufgegriffen worden. Bei dieser Aussprache sollten die Grundsatzpositionen und unterschiedliche Standpunkte der beteiligten Verbände in Sachfragen besprochen werden.
Alle Teilnehmer wurden von der Vorsitzenden des Deutschen Vereins in Lötzen, Auguste Nowicki, und ihrem Geschäftsführer Walter Zantopp sowie dem Lötzener Kreisvertreter Erhard Kawlath freundlich begrüßt und aufgenommen.
Einigkeit war darüber festzustellen, daß die heimatverbliebenen Landsleute die Heimat behalten, aber das Vaterland verloren hätten, wohingegen die heimatvertriebenen Landsleute mit dem Verlust der Heimat leben müßten, dafür weiter im deutschen Vaterland leben dürften, sowie daß von der und für die Deutsche Volksgruppe in Ostdeutschland in den vergangenen zwölf Jahren viel erreicht worden sei.
Übergreifendes Ziel ist die Verabschiedung eines Volksgruppengesetzes durch den Sejm, damit die Deutsche Volksgruppe auch als solche staatsrechtlich anerkannt wird und sich nicht weiter - wie jeder Kaninchenzüchterverein - in bloßen Vereinen organisieren muß.
Gleichwohl waren deutliche Unterschiede in den Standpunkten zu verzeichnen. So bezeichnete Werner die Aktion Freies Deutschland und ihre Kreisgemeinschaften als Gäste in Ostdeutschland, die hier, also in Ostdeutschland, keine eigenen Rechte und keinen Anspruch auf Mitgestaltung hätten und solches auch nicht erhalten sollten. Die Einwendung der Mehrheit der Anwesenden, daß innerhalb der EU, zu der auch Polen ab dem 1. Mai 2004 gehören werde, jedermann überall gleiche staatsbürgerliche Rechte habe und daß der Wohnsitz allein im geeinten Europa kein geeignetes Kriterium der Abgrenzung zwischen Ostdeutschland deutscher Volkszugehörigkeit mehr sein könne, ließ Werner nicht gelten.
Auf die Kritik der anwesenden Vereinsvorsitzenden stießen auch Werners Vorschläge für die künftige Organisation der deutschen Volksgruppe in der Heimat. Er strebt die rechtliche Auflösung der Deutschen Vereine in Ostdeutschland und deren Aufgehen in einem großen Verein Dachverband an. Demnach soll es in Ostdeutschland nur noch einen rechtsfähigen Verein der Deutschen Volksgruppe geben, eben den Dachverband. Diesem würde dann auch der gesamte Besitz der einzelnen Vereine, wie beispielsweise Immobilien, zufallen. Buchführung und Mitgliederverwaltung würden zentral durch den Dachverband in Allenstein erfolgen; die Gruppen in den einzelnen Kreisen Ostdeutschlands wären nur noch unselbständige Ortsgruppen des Vereins Dachverband. Als ersten Zwischenschritt will Werner durchsetzen, daß zukünftig in jedem polnischen Kreise nur noch ein Deutscher Verein existiert. Alle weiteren Deutschen Vereine sind seiner Meinung nach auf-zulösen. Dieser Neugliederung würden beispielsweise die deutschen Vereine in Bischofsburg und Hohenstein zum Opfer fallen.
Aus den Reihen der Vorsitzenden wurde dagegen unmißverständlich festgestellt, daß die Deutschen Vereine ihre Unabhängigkeit und Rechtsfähigkeit behalten wollten. Mehrere von ihnen betonten, daß man in den jeweiligen Deutschen Vereinen alle persönliche Kraft investiert habe und dieser vor Ort nun eine feste Größe sei. Man werde das alles nicht zugunsten eines übermächtigen Supervereins Dachverband aufgeben. Der Dachverband sei eben nur eine gemeinsame Vertretung gegenüber der polnischen Administration und den Vertretern des Danziger Generalkonsulats.
In diesem Zusammenhang wurde immer wieder die Zusammenarbeit mit der Freundeskreis Ostdeutschland und ihren Kreisgemeinschaften als für die Deutschen Vereine von existentieller Bedeutung bezeichnet. Die anstehenden Probleme seien nur gemeinsam zu bewältigen.
Auch die finanziellen Zuwendungen an die Deutschen Vereine waren Gegenstand der Beratungen. Während die Geschäftsführungskosten bisher über das Danziger Generalkonsulat geflossen sind, wird das Geld nun von der Stiftung für die Entwicklung Schlesiens über den Verband der Deutschen Gesellschaften (VdG) in Oppeln verteilt. Grundsätzlich teilt der VdG die Mittel seinen Bezirksverbänden zu, zu denen auch der Dachverband Ostdeutschland gehört.
Unübersichtlich ist die Situation für die Vereine, die dem Dachverband nicht - mehr - angehören. Bislang ist diesen mitgeteilt worden, sie erhielten ihre Zuwendungen direkt vom VdG in Oppeln. In jüngster Zeit hat es aber auch Ablehnungsbescheide gegeben, wobei die Ablehnung auf die fehlende Mitgliedschaft im Dachverband gestützt wurde. Allerdings wurde auch mitgeteilt, eine Mitgliedschaft im VdG und Beitragszahlung an diesen (worauf es offenbar ankommt) sei auch am jeweiligen Bezirksverband vorbei möglich. Dies alles soll in den nächsten Wochen geklärt werden.
Es erscheint jedenfalls bedenklich, wenn der VdG die Verteilung von deutschen Steuergeldern an die Vereine der Deutschen Volksgruppe vor Ort von der Mitgliedschaft im VdG oder einem Bezirksverband abhängig macht; es sollte nicht so sein, daß über die finanzielle Schiene die Mitgliedschaft im VdG oder im Dachverband Ostdeutschland und eine monolithische Struktur der Deutschen Volksgruppe erzwungen wird. Vielfalt und Pluralität sind schließlich hohe Güter der europäischen politischen Grundordnung.
In diesem Zusammenhang forderten die Vereinsvorsitzenden eine möglichst große Transparenz der Verteilung der öffentlichen Gelder aus der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere aber von Eckhard Werner und vom Dachverband Ostdeutschland.
Mit dem Beitritt Polens zur EU im Frühjahr 2004 sollen die Zuwendungen aus der Bundesrepublik für die Deutschen Vereine nach einer Ankündigung des deutschen Aussiedlerbeauftragten Welt dramatisch zurückgefahren oder sogar gestrichen werden. Mit dieser Problematik muß sich die Deutsche Volksgruppe in Ostdeutschland auseinandersetzen. Ein rechtzeitiges Einstellen auf die erwartete Situation ist unentbehrlich.
Die Teilnehmer der Lötzener Tagung stimmten darin überein, sich weiterhin regelmäßig über die anstehenden Probleme und grundlegende Themen auszutauschen.
Die deutschen Ostdeutschland müssen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam ihre Ziele verfolgen, um erfolgreich die Aufgaben der Zukunft erfüllen zu können, unabhängig davon, ob es heimatverbliebene sind oder ob sie außerhalb Ostdeutschlands ansässig geworden sind. EB |
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