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Noch einmal jung sein! Mit neuen Augen in die Welt sehn! Alles wieder, wie zum ersten Mal, unschuldig in sich trinken! Mit frohem, reinem Kindersinn! Seligsten Herzens! Ach, wer ... das ... könnte!", schwärmt der Rastenburger Arno Holz (1863-1929) in seinem Gedicht "Kindheitsparadies". Kindheit - immer wieder haben auch Maler sich diesem Thema gewidmet. Philipp Otto Runge etwa, der Pommer, der die bezaubernde Szene der spielenden "Hülsenbeckschen Kinder" malte, oder Lovis Corinth, der seine eigenen Kinder Thomas und Wil- helmine immer wieder auf die Leinwand bannte. Schriftsteller und Künstler haben sich immer wieder (gern) an die eigene Kindheit erinnert, haben in ihrem Werk diese ersten Eindrücke von der Welt festgehalten, haben sie in ihren Memoiren geschildert. So erinnert sich der Insterburger "Richter-Dichter" Ernst Wichert (1831-1902) an lebhafte Jungensjahre in Pillau, wo er Räuber und Soldat spielte, dem Reif nachlief und gar auf Schiffsmasten kletterte, aber auch mit stiller Freude las und mit seinem Puppentheater spielte. Auch Käthe Kollwitz (1867-1945), die Königsbergerin, liebte ihre Damen und Herren aus Papier. "Diese Figuren tuschten wir an und schnitten sie aus, es waren über hundert, mit denen spielten wir ... Die griechische Mythologie, aber auch Themen aus Schillerschen Stücken, ganz freie Erfindungen, wir waren nie verle-gen ..." Der aus Tapiau stammende Lovis Corinth (1858-1925) war da bodenständiger, er schnitt aus steifem Papier ("ich nannte es ,fett "), das ihm sein Vater von seinen Reisen mitbrachte, Pferde und Menschen aus. "... bald hatte ich einen Marstall zusammen. Die Fleischer und Bauern, welche bei uns ihre Geschäfte machten, bewunderten meine Kunst sehr und stets war auf ihre Frage, was ich wohl werden sollte, die Antwort meiner Mutter: ,Tepper! dann kann he Bloome op de Schiewe moale ."
Ernst Wiechert (1887-1950) aus dem Forsthaus Kleinort im Kreis Sensburg erinnert sich an eine ebenfalls karge Kindheit: "Zwar war an ,Spielsachen unser Haus mitunter so leer wie eine Mönchszelle, aber besaßen wir nicht Holz, Bindfaden, Draht und Nägel, soviel wir wollten? Und besaßen wir nicht in Hof, Feld und Wald einen Spielplatz, der so weit reichte wie der Himmel? Und wenn auch Bücher nur zu Weihnachten den Weg zu uns fanden, so besaßen wir doch den ,Lederstrumpf und den ,Robinson Crusoe , und jedes von beiden genügte, um eine ganze Welt des Abenteuers, des Kampfes, der Tapferkeit und des Ruhmes damit aufzu-bauen ..."
Die Welt der Kinder zwischen Taufe und Teenagerzeit, zwischen Familie und Schule, zwischen Alltag und Festtag in vier Jahrhunderten will eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe anschaulich darstellen (bis 13. Juli). 240 Objekte meist aus dem eigenen Bestand zeigen unter dem Titel "Schauplätze der Kindheit", wie sich das Bild des Kindes im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat. Während noch im 18. Jahrhundert die Kinder wie kleine Erwachsene gekleidet und auch so behandelt wurden, sind bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anfänge kindgerechter Kleidung zu finden. Vom kostbaren Samtanzug bis hin zur modernen Jeanskleidung, von Puppenhäusern zum Anschauen - und Lernen - bis zu billigen Plastikautos oder totgeliebten Plüschbären, vom "Trotzkopf" und "Struwwelpeter" bis zu den Peanuts oder Donald Duck ist vieles in dieser Ausstellung zu entdecken. Und so mancher wird sich an die eigene Kindheit erinnert fühlen, wenn es auch nicht immer wehmütige Erinnerungen sind: "Ich mußte diese Lederhose tragen, dabei war es so albern!", so ein junger Mann entrüstet zu seiner Begleiterin in der Ausstellung. Alte Fotografien vom Familienleben im frühen 20. Jahrhundert, von Schülern, die sich wie ein Bienenschwarm um den Lehrer scharen, aber auch Werbeplakate, fotografiert oder gezeichnet, die das Kind als wichtigen Konsumenten darstellen, zeigen die Vielfalt dieser Ausstellung. Künstlerischer Höhepunkt ist zweifelsohne "Die Stadt am Ende der Welt" von Lyonel Feininger, die dieser von 1919 an schuf. Jedes Jahr zu Weihnachten fertigte er "Männeken" und Häuser aus Holzscheiten, die er bemalte, für seine Kinder.
"Es gibt kein Alter, in dem man alles so intensiv erlebt wie in der Kindheit", sagte Astrid Lindgren, "wir Großen sollten uns daran erinnern, wie das war." Ein wenig hilft diese Ausstellung bei der Erinnerung, ein wenig ... n
Lovis Corinth: Thomas und Wilhelmine (Öl, 1916) |
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