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Wenn der Begriff "ostdeutsches Urgestein" je eine Berechtigung hat, dann bei ihm: Horst Mertineit, Tilsiter von Geburt und Passion, auch im stolzen Alter von 85 Jahren noch ein unermüdlicher Vorkämpfer, wenn es darum geht, die Erinnerung an die Heimat lebendig zu halten, die Gegenwart konstruktiv zu gestalten und die Zukunft für Besseres offenzuhalten. Selbst einer von jenen, die aus der memelländischen Heimat vertrieben wurden, weiß er sich stets den dort verbliebenen Landsleute n verpflichtet, und ihm ist auch bewußt, daß er den einen wie den anderen nur dienen kann, wenn er auch diejenigen respektiert, die heute das Memelland ihr eigen nennen.
Auf dieser Basis fördernd, helfend und ausgleichend wirkend, hat er sich in dem halben Jahrhundert, seit es ihn nach Schleswig-Hostein verschlug, zahlreiche Verdienste erworben - Grund genug für die Landeshauptstadt, ihn mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Andreas-Gayk-Medaille, zu ehren. In einer Feierstunde im Kieler Rathaus, an der auch der gesamte Stadtrat teilnahm, überreichten Oberbürgermeisterin Volquartz und Stadtpräsident Dr. Wulff die hohe Auszeichnung. In seiner Laudatio, einer "Zeitreise" durch die Stationen eines reicherfü´llten Lebens, charakterisierte Wulff Mertineit mit Begriffen wie "Fleiß" und "Disziplin". Damit wäre der agile Tilsiter aber nur unzulänglich beschrieben: Zu Horst Mertineit gehört auch eine gesunde Portion Freude am Leben. Seine Freunde, auch seine Schicksalsgefährten in freundschaftlichen Organisationen, wissen um seine Gabe, in schwierigen Situationen stets das richtige Wort zu finden, um "die Stimmung zu retten". Mertineit, das ist eben mal der besonnene Mahner, mal der Karnevalist, der auch gestandenen Rheinländern noch etwas vormacht.
In seiner Dankrede erinnerte er daran, daß es heute noch rund 10.000 Tilsiter gibt, die über 29 Staaten in aller Welt verstreut sind (und von denen man vermuten darf, daß ihnen, bis auf wenige Ausnahmen, der Name Horst Mertineit durchaus vertraut ist). Vor allem zwei Geschehnisse, so fuhr der langjährige Kreisvertreter fort, hätten ihm Kraft, Richtung und Hilfe gegeben: die geradlinige Art, mit welcher der erste Kieler Nachkriegs-OB Andreas Gayk (nach dem die jetzt verliehene Auszeichnung benannt ist) einst die Patenschaft mit Tilsit begründete, sowie ein Brief, der ihn aus dem damals noch vom Westen abgeschotteten Memelland erreichte, mit den Worten "Ich bin ein russischer Jude aus Leningrad, sicher verstehen Sie, daß ich im Prinzip keine besonderen Gefühle für die Deutschen hege. Ich weiß, daß diese Stadt hier Tilsit hieß, und so frage ich Sie: Wollen wir nicht doch zusammenarbeiten, zum Wohle dieser schwer verletzten Stadt?" Daraus entwickelte sich, wie Mertineit weiter berichtete, eine herzliche und ehrliche Freundschaft, trotz mancher Differenzen, die von beiden Seiten respektiert wurden.
In diesem von ihm selbst so eindrucksvoll beschriebenen Geiste hat Mertineit viel für seine Heimat geleistet: materielle Hilfe, aber auch das erfolgreiche Werben um menschliche Zuwendung und Verständnis - für jene, die einst von dort gehen mußten, wie auch für diejenigen, die heute dort leben.
Feierstunde für einen verdienten Mann: Horst Mertineit, Angelika Volquartz und Dr. Arne Wulff () |
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