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In Österreich mehren sich die Anzeichen dafür, daß die Parlamentswahlen nicht erst zum spätestmöglichen Zeitpunkt im November stattfinden, sondern bereits auf einen Septembertermin vorgezogen werden. Dafür spricht, daß die ÖVP in Umfragen klar vor der SPÖ liegt - vorwiegend wegen des Finanzskandals um den ÖGB und die Gewerkschaftsbank "Bawag", aber auch wegen der Medienpräsenz von Bundeskanzler Schüssel im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft. Verlockend für die ÖVP, dies auszunützen, denn bis zum Spätherbst könnte beides wieder verblaßt sein.
Daß die anderen Parteien so tun, als käme ihnen ein frühestmöglicher Termin gelegen, kann allerdings nur bedingt ernst genommen werden. Besonders aus dem Mund von SPÖ-Chef Gusenbauer klingt es wenig glaubhaft. Doch er hat eben keine andere Wahl, als weiterhin gebetsmühlenartig den Rücktritt der Regierung zu fordern und im übrigen so zu reden, als hätte die SPÖ mit dem ÖGB rein gar nichts zu tun. Für Schüssels Koalitionspartner BZÖ ist ein vorgezogen er Termin insofern "vorteilhaft", als man sich einen längeren Wahlkampf ohnehin nicht leisten könnte.
Schüssel, der schon einmal - nämlich 1995, damals als Juniorpartner der SPÖ - für vorzeitig vom Zaun gebrochene Wahlen vom Wähler bestraft wurde, hätte es diesmal leichter: Erstens ginge es nur um zwei Monate, und zweitens bliebe eine Neuauflage der ÖVP-BZÖ-Koalition selbst bei günstigstem Abschneiden der beiden Parteien rein rechnerisch völlig unrealistisch. Schüssel kann daher das ihm auf Gedeih und Verderb ausgelieferte BZÖ so sehr anrennen und abblitzen lassen, bis einem Jörg Haider der Kragen platzt.
Aber Haider ist jetzt gar nicht mehr Parteichef, denn endlich steht der Spitzenkandidat des BZÖ fest: Es ist der frühere FPÖ-Fraktionschef Westenthaler. Daß es Westenthaler werden würde, war kein "bestgehütetes Geheimnis", sondern bis zuletzt gar nicht entschieden. Haider hatte offensichtlich größte Schwierigkeiten, für ein Himmelfahrtskommando, das er selbst nicht antreten wollte, einen Lückenbüßer zu finden. Westenthaler hatte jahrelang zu Haiders engsten Mitarbeitern gehört, sich 2002 aber gemeinsam mit anderen Spitzenfunktionären von Haider getrennt. Die Schwächung der FPÖ konnte Schüssel damals für einen überwältigenden Wahlerfolg der ÖVP ausnützen. Westenthaler war seither bei einem Gönner in der Privatwirtschaft "geparkt". Seine jetzigen Beweggründe sind unverständlich, denn wie alle Österreicher konnte er mehrmals miterleben, wie es Parteivorsitzenden neben einem "einfachen Parteimitglied Haider" ergeht.
Um die Wahlaussichten der Partei, die als "BZÖ - Liste Westenthaler" antreten wird, zu verbessern, wollte Haider einen Ministerposten für Westenthaler, am liebsten den von Vizekanzler Gorbach. Aber kein BZÖ-Regierungsmitglied denkt daran, vorzeitig auszuscheiden, um Westenthaler Platz zu machen, und Schüssel lehnt ohnehin eine Regierungsumbildung ab. Immerhin durfte Westenthaler vorige Woche am traditionellen "Kanzlerfrühstück vor dem Ministerrat" teilnehmen. Aber dann mußte er wieder gehen.
Das "Ausländer-Thema" mit den Teilaspekten Integrationsunwilligkeit, Ghettobildung, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Asylmißbrauch und Islamismus dürfte im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen. Um der FPÖ, die diesbezüglich immer die klarste Linie vertreten hat, nicht alleine das Feld zu überlassen, sind neuerdings auch aus Teilen der ÖVP schärfere Töne zu hören. Und vor allem Westenthaler trachtet, mit radikalen Forderungen zu punkten, wenngleich er damit im gemeinsamen Wählerpotential von FPÖ und BZÖ wenig glaubwürdig wirkt. Denn im BZÖ-Lager gibt es auch durchaus linksliberale Strömungen. Man denke nur an Justizministerin Gastinger.
Landeshauptmann Haider trachtet derzeit, den "Ortstafelstreit" in den Vordergrund zu spielen, um über ein Grundmandat in Kärnten vielleicht doch den Einzug des BZÖ ins Parlament zu erreichen. Über den Streit um die Aufstellung beziehungsweise Verhinderung weiterer zweisprachiger Ortstafeln in Südkärnten ließen sich Bände füllen. Wenn sich aber mittlerweile der Kärntner Heimatdienst und die Kärntner Slowenenverbände auf eine gemeinsame Lösung verständigt haben, herrscht beim Normalverbraucher wenig Verständnis für die Extrempositionen der Höchstrichter einerseits und Haiders andererseits. Schüssel kann sich jedenfalls "zurücklehnen", denn seinen größten Trumpf - nämlich daß es bei sämtlichen Nachbarn deutlich schlechter läuft als in Österreich - wird ihm kein österreichischer Gegner aus der Hand nehmen können. |
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