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Kolossal, rücksichtslos, überwältigend rasen die wechselnden Großmächte vor den Augen des Lesers vorbei. Teils hingerissen, teils zwischen Angst und Erschöpfung schwankend reißt der "Spiegel"-Redakteur Gabor Steingart seine Leser in einen "Weltkrieg um Wohlstand", der zeigt "wie Macht und Reichtum neu verteilt werden". Gleich im Vorwort stimmt der Autor auf Krieg ein und zeigt auf, wo wir stehen. "Die Globalisierung sbilanz ist für den Westen gekippt. Die Angreiferstaaten konnten in den vergangenen zwei Jahrzehnten den produktiven Kern ihrer Volkswirtschaften, also jene Sphäre, in der Kapital und Arbeit miteinander reagieren, um den Wohlstand einer Nation zu mehren, spürbar vergrößern."
Steingart beginnt mit dem Zeitalter der Industriealisierung und zeigt auf, wie Großbritannien zur Großmacht wurde, warum es den Staffelstab allerdings erst mit Deutschland teilen, dann ganz an die USA weiterreichen mußte. "Die britische Krone aber wollte nichts hören und nichts sehen. Sie litt an einem heftigen Kolonialfieber, auch wenn die Eroberungszüge zunehmend einem Substanzverzehr gleichkamen. Die Siege, die England über andere Völker feierte, waren getarnte Niederlagen, denn sie gingen mit einer Erosion der ökonomischen Macht einher."
Auch wenn Steingart im großen nichts Neues erzählt, so überzeugt und erschlägt er zugleich durch Kompaktheit, Informationsfülle und Anschaulichkeit. "Auch den hohen Wachstumsraten der Vereinigten Staaten ist nicht so ohne weiteres zu trauen. Sie sind auch eine Folge der hohen privaten und staatlichen Schuldenaufnahme."
"Der große Nationalheilige der Chinesen Mao Zedong hat eigentlich nur ein Verdienst erworben, das die Jahrhunderte überdauern wird. Von dieser Tat ist unklar, ob er sie aus Versehen oder mit Bedacht begangen hat. Er ließ dem späteren Reformer Deng Xiaoping alle nur mögliche Schmach antun. Aber er ließ ihn am Leben." Sogar Humor ist dem Autor trotz des komplizierten Themas nicht fremd, und so liest sich das Wirtschaftsbuch ungewöhnlich flott. "Weltkrieg um Wohlstand" ist zum Bestseller avanciert, mußte aber auch Kritik einstecken: Zu zugespitzt seien die Darstellungen, zu einseitig die Schlußfolgerungen. Und tatsächlich neigt Steingart dazu, wenn er den Aufstieg der Asiaten schildert, nur die negativen Folgen für den Westen mitzuteilen und nicht daraufhinzuweisen, daß auch der Westen neue Absatzmärkte für seine Produkte hat - die allerdings, wie ausgeführt, inzwischen immer mehr dort produziert werden.
Warum achtet der Westen auf Umweltschutz, aber nicht auf Schutz von Arbeitnehmern, fragt der Autor. Indem wir zulassen, daß China, Indien und Co. ihre Menschen ausbeuten, um uns billige Produkte zu liefern, würden wir unsere humanen Arbeitsplätze opfern und unsere Arbeitnehmer in die Armut treiben. Steingart kritisiert den absoluten Freihandel, der in der Praxis aber nur vom Westen gelebt werde. So dächte China nicht daran, seine Märkte für Konkurrenzprodukte zu öffnen, während der Westen sich auf den heimischen Märkten "nackig mache" und sein Wissen viel zu naiv den Asiaten preisgebe. Fritz Hegelmann
Gabor Steingart: "Weltkrieg um Wohlstand - Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden", Piper, München 2006, geb., 397 Seiten, 19,90 Euro 5790 |
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