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Die politischen Parteien sind eigentlich beste Kunden bei den demoskopischen Instituten - doch in letzter Zeit wollen die Spitzen von CDU und SPD von den Analysen der Meinungsforscher nichts mehr hören - besonders wenn das Stichwort "Volkspartei" fällt.
Das Führungszeugnis für die Parteichefs fällt schlecht aus. Gerade noch 30 Prozent der Wähler stimmten für die Union, als man ihnen Ende August die Sonntagsfrage stellte, die SPD erreichte mit Ach und Krach 29 Prozent. "Über 40 Prozent", meinte CDU-Dissident Friedrich Merz , müsse eine Partei schon haben, wenn sie sich als Volkspartei bewähren wollte. Selbst die aktuellen Umfragen seien noch geschönt, behauptet Manfred Güllner, Chef der Gesellschaft für Sozialforschung "Forsa". In einem Interview für den Deutschlandfunk schlüsselte er die Ergebnisse auf. Bei der bekannten Sonntagsfrage ("Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?") werden die 29 oder 30 Prozent Zustimmung auf der Basis der Wahlwilligen berechnet, also der Menschen, die auch zur Wahl gehen würden. Legt man die Präferenzen für einzelne Parteien auf die Gesamtzahl der befragten Wahlberechtigten um, kommen atemberaubende Werte heraus: Die CDU kann sich nur noch auf 20 Prozent der Wahlberechtigten stützen, die SPD liegt sogar noch unter diesem Wert. Güllner dazu: "Wir haben also 60 Prozent, mehr als die Hälfte, die sagen, ich würde gar nicht hingehen oder eine der kleineren Parteien wählen."
Nach der traditionellen Umfrage-Auswertung kommt die FDP derzeit auf 14 Prozent, erbt also viele Stimmen von enttäuschten Bundesbürgern. Die Linkspartei verbucht zwölf Prozent, die Grünen liegen bei zehn Prozent Zustimmung. Die Linkspartei hat sich nach den Forsa-Ergebnissen inzwischen auf Dauer festsetzen können.
Neu im Umfragekanon der Demoskopen ist die "Partei der Nichtwähler", die seit Jahren immer größer wird. Besonders bei Landtags- oder Kommunalwahlen ist diese Entwicklung "dramatisch fortgeschritten". Der Forsa-Chef weiter: "Bei Kommunalwahlen in fast allen großen Städten hatten wir mehr Nichtwähler als Wähler."
Nach den Erkenntnissen der Meinungsforscher muß es nicht dabei bleiben, daß sich die Bundesbürger den Gang zur Urne auf Dauer verkneifen. Güllner rechnet damit, daß die Parteienlandschaft vor einem großen Umbruch steht. Chancen haben nach seiner Einschätzung vor allem rechtspopulistische Parteien: "Wir haben es in Hamburg schon mal gesehen mit Herrn Schill, und Herr Schill hätte durchaus bundesweit Erfolg haben können, wenn er nicht so gewesen wäre, wie er ist." Wenn aber ein "deutscher Haider" käme, der allgemein akzeptiert würde, dann könnte er zehn bis 15 Prozent der Stimmen erreichen.
Die klassischen Zweier-Koalitionen, die die politische Landschaft in Deutschland seit dem Krieg bestimmt haben, wird es bei dieser Erosion der Großparteien nicht mehr geben können - "es sei denn, die Große Koalition wird auf Dauer fortgesetzt". Die Forsa-Demoskopen erwarten, daß ähnlich wie etwa in den Niederlanden oder Italien Dreier- oder Viererkoalitionen gebildet werden müssen.
Im übrigen sind die Deutschen alles andere als reformmüde. "Sie wollen, daß das Land modernisiert wird", so Güllner. Aber sie wollten die Reformen nicht in der Art, wie sie die Große Koalition derzeit umsetze. |
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