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Die Besinnung auf die deutsche Sprache hat begonnen, Vernunft zieht ein, bei vielen, die erfolgreich werden und informieren wollen. Die Deutsche Post nennt ihr Produkt freeway (Briefmarke für Päckchen) jetzt allgemeinverständlich Paketmarke. Die Deutsche Bank ändert den Werbespruch "Leading to results" in "Leistung aus Leidenschaft". Audi preist seine Autos statt mit "Driven by Instinct" jetzt wieder mit "Vorsprung durch Technik" an. Intersport sagt statt "I feel good" originell "Servus die Wadeln". Siemens macht aus "Be inspired" jetzt "Die Zukunft zieht ein", und Douglas verzichtet aus das unsägliche "Come in and find out" und wirbt: "Macht das Leben schöner."
Diese Positivliste ließe sich noch lange fortsetzen. Auch die Politik ist lernfähig: Am Anfang des Wahlkampfes der CDU im Saarland stand der Spruch: "Best of Politik". Nach einem Proteststurm verwendete die Partei nur noch Botschaften in deutscher Sprache. Die ARD hat zwar noch bei weitem nicht allen ihrer Redakteure vernünftiges Deutsch beigebracht, aber immerhin: Die neuen Mitglieder in der Europäischen Union (EU) wurden am 1. Mai zunächst mit dem Spruch: "Welcome, New Europe" begrüßt, nach Protesten hieß es noch am selben Tag. "Willkommen, Neues Europa".
Auf der anderen Seite sperrt sich der stellvertretende ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Fritz Pleitgen vehement, ein Problem darin zu sehen, daß Deutschlands Fernseh- und Rundfunkkonsumenten in mittlerweile unerträglichem Ausmaß mit angloamerikanischer Unterhaltungsmusik "zugemüllt" werden. Wer nicht gut Englisch spricht, kann nicht verstehen, was da mehr oder weniger gut über die deutschen Rundfunksender in seine Wohnung kommt. Bedankt sich doch der öffentlich-rechtliche Bereich bei seinen Hörerinnen und Hörern für die von ihnen zu entrichtenden Zwangsgebühren mit einem Musikprogramm, das - wie auch das der privaten Sender - gegenwärtig von englischen Titeln bestimmt ist.
Kein Wunder, daß unlängst deutsche Musikkünstler im Verein mit der mittelständischen Musikindustrie in Deutschland ein "Kartell von Rundfunksendern und Mediengiganten gegen deutschsprachige Künstler" ausmachten und heftig kritisierten. Ohne eine Quote nach französischem Vorbild könne die mittelständische Branche nicht überleben, hieß es. Frankreich hatte vor einem Jahrzehnt eine solche Radioquote eingeführt. 40 Prozent der gespielten Unterhaltungsmusik muß seitdem französisch sein. Ansonsten drohten Geldstrafen oder gar Lizenzentzug. Für die Franzosen ist es eine Binsenweisheit, daß die Sprache Ausdruck von Identität und Kultur ist und die Muttersprache persönlichkeitsbildende Kraft hat. Das alles zu pflegen, ist nach französischem Selbstverständnis unabdingbar.
Dieser "französische Weg" ist für Pleitgen offenbar eine schreckliche Vorstellung. Er fürchtet um die "Programmautonomie" der Sender, und der Hörfunk-Experte des "Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation", Hans-Jürgen Kratz, pflichtet ihm bei: "Eine Musikquote würde unsere Hörer und Zuschauer bevormunden und unsere wirtschaftliche Grundlage bedrohen."
Wer hierbei eigentlich wen bevormundet, und wer autonom bestimmt, wer welche Musik zu hören bekommt, wollen die beiden Medienexzellenzen offenbar nicht erkennen. Sie selbst sind beide mit dafür verantwortlich, daß die Medien in diesem Bereich die deutsche Kultur nicht widerspiegeln.
Die Künstlerinitiative "Musiker in eigener Sache" hat dieses Problem jetzt öffentlich aufgegriffen und gewinnt Unterstützung. Reinhard Mey steht dabei in vorderer Reihe, und auch viele andere "Promis" blasen ins gleiche Horn, wie Udo Lindenberg, Peter Maffay, Pur-Sänger Hartmut Engler, Xavier Naidoo und Inga Hupe, um nur einige zu nennen.
Dem Musikproduzenten Dieter Bohlen paßt allerdings diese Richtung nicht. Ihm fiel nichts anderes dazu ein als: "Ob da Radio Klingelbingel drei Mal von Karl Scheckenschiß eine Nummer spielt - wen interessiert s?" Dummheit und Arroganz lagen schon immer ganz dicht beieinander. Andere fürchten "Populismus" und "Vaterlandsliebe", so die Hamburger Band Blumfeld.
Auch die Politik nahm sich des Themas an: Voran Antje Vollmer von den Grünen, die sich nachdrücklich für die Deutsch-Quote aussprach. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sprach sich ebenso wie die parteilose Kulturstaatssekretärin Christina Weiss dagegen aus. Clement schlug statt dessen eine "freiwillige Selbstverpflichtung" vor, womit er praktisch das Thema auf Eis gelegt wissen will. Als Wirtschaftsminister bietet sich ihm allerdings ein gleichfalls naheliegendes Thema an: Immer mehr deutsche Unternehmen machen heute Englisch zur Konzernsprache, und der Stellenmarkt der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) ist ohne englisches Wörterbuch unverständlich.
Angesichts dieser Entwicklung ist der Musikmarkt ein nicht zu übersehendes, aber auch nicht das alleinige Problem. Ist doch bei manchem Angebot die geringe Verständlichkeit fast schon als Gewinn zu betrachten, weil die dümmliche Schlichtheit der Gedanken den meisten Konsumenten gar nicht auffällt.
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