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Soll er nun oder soll er nicht? Der Medientenor nach dem CSU-Parteitag von Nürnberg war einhellig: Er soll! Diese imposanten 96,6 Prozent, mit denen die CSU Edmund Stoiber als ihren Chef bestätigte, wurden fast einhellig als Signal verstanden, dem bayerischen Ministerpräsidenten nun endlich auch die Kanzlerkandidatur der Union anzutragen. In diese Richtung deutete auch der Auftritt der CDU-Vorsitzenden vor den Delegierten der Schwesterpartei: Angela Merkel mußte in Nürnberg auf bittere Weise erfahren, daß demonstrativer Höflichkeitsapplaus ziemlich unhöflich gemeint sein kann.
Die beiden Hauptakteure tun so, als ginge sie das ganze Stück nichts an. Gemeinsam stehen sie auf der Polit-Bühne und tragen unverdrossen das eingeübte Duett vor: Nein, einen Kandidaten brauchen wir (noch) nicht; wartet ab bis zum nächsten Frühjahr! Edmund Stoiber bleibt bei seinem Part: Er könne sich überhaupt nichts Schöneres vorstellen als das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Und Angela Merkel läßt allenfalls zaghaft anklingen, daß sie ja eigentlich schon ganz gern möchte, wenn man sie denn dürfen ließe.
So verständlich der Wunsch vieler konservativ denkender Menschen in Deutschland ist, bald Klarheit zu haben, wer das bürgerliche Lager in die Wahlschlacht gegen Rot und Grün führt - vielleicht haben Merkel und Stoiber mit ihrer so zögerlich wirkenden Linie ja doch recht.
Man erinnere sich an das Vorfeld der letzten Bundestagswahl: Die damalige Opposition hatte ebenfalls zwei Kandidaten im Rennen um die Kanzlerkandidatur, und die Basis machte ebenfalls immer mehr Druck, doch nun endlich die Personaldiskussion zu beenden. Schröder und Lafontaine ließen sich nicht aus der Reserve locken, blieben beim vereinbarten Fahrplan, genossen es, mit ihrem vermeintlichen „Genossenstreit“ monatelang die Medien zu besetzen, um dann schwungvoll in die Zielgerade einzubiegen.
Diese Strategie war, wie das Ergebnis vom Herbst ’98 lehrte, so verkehrt wohl nicht. Sie könnte sich, auf die heutige Opposition bezogen, erneut als richtig erweisen, aus verschiedenen Gründen.
Zum Beispiel: Die derzeitige weltpolitische Lage führt dazu, daß die Agierenden, also die Regierenden, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Die Opposition steckt in der - diesmal nicht selbstverschuldeten - Falle: Ist sie konstruktiv und „staatstragend“, wird sie kaum wahrgenommen, zeigt sie eigenes Profil, wirkt sie aufs breite Publikum „destruktiv“, „kleinkariert“, „verantwortungslos“ und dergleichen mehr. Als eigenständige politische Kraft wird die Union derzeit fast nur noch zur Kenntnis genommen, wenn es um die Frage geht: Stoiber oder Merkel? Das ist zwar für Parteistrategen nicht gerade beglückend, aber immerhin besser als gar nichts.
Schließlich können die Wahlkampfmanager in Berlin und München ja immer noch auf „bessere Zeiten“ im nächsten Frühjahr hoffen. Bis dahin mag das Kandidatenkarussell als halbwegs passables Thema taugen. Dann allerdings, wenn es in die „heiße Phase“ des Wahlkampfes geht, wenn man also wirklich einen Spitzenkandidaten braucht - dann wird sich auch Edmund Stoiber entscheiden müssen.
Einem seiner Amtsvorgänger, dem legendären Franz-Josef Strauß, wird nachgesagt, ihm sei es „wurscht“ gewesen, „wer unter mir Kanzler ist“. Auch wenn Stoiber sich gern auf Strauß beruft - solche Denkweise sollte man ihm nicht unterstellen. Daher unser Tip: Wenn er eine realistische Sieges-Chance sieht, wird er antreten. Wenn er aber nur die Wahl hat zwischen „Taube in der Hand“ und „Spatz auf dem Dach“ - dann wird er wohl in München bleiben.
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