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Im ganzen Ort war er bekannt, unser Maler H., wenn er mit seinem Wägelchen, das beladen war mit Leiter, Farbeimern, vielen großen und kleinen Pinseln, bunten Tuben, alte Stofflappen - die für seine Arbeit sehr wichtig waren - und seiner Arbeitskleidung, die ehemals weiß war und jetzt viele, viele bunte Farbkleckse hatte, durch das Städtchen zog. Pfeifend und vergnügt schob er mit seinem Wägelchen durch die Straßen von Mohrungen zu seiner Kundschaft, wo die Hausfrauen schon begierig auf ihn warteten. Denn wo Meister H. arbeitete, das war immer eine Sensation! Wie würde sein Kunstwerk diesmal gelingen?
Er war bekannt als ein guter Handwerker, der mit Farben so gut umzugehen wußte, daß viele Hausfrauen in dieser Stadt seine Malkünste bewunderten, nein, sogar darauf schworen. Daraufhin, das kann man sich ja denken, hatte er das ganze Jahr über tüchtig zu tun. Meistens war es ja so, daß zum Frühling hin die Wohnung neu tapeziert und gestrichen wurde, denn danach war gleich der große Frühjahrsputz angesagt.
Wie oft habe ich ihm zugeschaut bei seiner Arbeit und ihn bewundert, wenn er auf seiner Leiter stand und mit ihr gehen konnte, von einer Wand zu anderen ohne abzusteigen. Das war schon sehr beeindruckend. Und wenn er die Farben mischte, alles nur „aus der lameng“ wie er immer betonte, und das ging ruck-zuck.
„Oh, das war ja nu woll e bißche zuviel. Wa, da nehme mer noch e Kornche von der und von der noch was, dann wird’s schon passen. Frau Meester“, rief er nach meiner Mutter, „gucke Se moal, ist das nicht e prächtig Farbche?“ Beide schauten in den Farbeimer, aber Muttchen war nicht ganz einverstanden mit dem Resultat. „Meinen Sie nicht, daß das viel zu blau ist? Wenn dieses Blau an die Wand kommt, wird mir blümerant!“
„Aber Madamche“, beruhigte er sie, „wenn das all trocken ist, wird se viel heller sein, das Farbche.“ Zweifelnd sah Muttchen zu ihm hin, und schmunzelnd guck-te er zurück: „Na, da werd ich mal“, und tauchte den Pinsel in sein verschmitzt verteidigtes Farbche.
Am nächsten Tag, schon ganz früh, ging Muttchen zur Küche, um sich das blaue Wunder anzusehen. Also, die Farbe war schon etwas verändert, aber doch noch ziemlich blau. Dann hörten wir ihn die „Lili Marleen“ pfeifen, und ein strahlendes Gesicht schaute zur Türe herein. „Na isses schön, Frau Meester, und was soll ich jetzt noch an die Wand malen? Ich hab noch soviel blaues Farbche, kann man da nicht ... oder so was hier mit der Schablone, oder doch e Musterche mit dem Lappche?“
Muttchen sah ihn skeptisch an und entschied dann: „Ne, ne machen Sie mal die Wickeltechnik mit dem dunkleren Blauton, ich glaube, das wird ganz gut aussehen.“ Maler H. lachte sie strahlend an: „Na sehn Se, se wird doch noch schön, die Küch’“, und machte sich an das Kunstwerk, welches jetzt erst entstehen sollte. Er nahm einen Lappen, tunkte ihn in die dunklere blaue Farbe, knetete und drückte den farbigen Stofflappen etwas aus, und dann zauberte er ein Muster an die oberen Wände, so daß jeder staunte, wie das alles so schnell vor sich ging. Und es gefiel allen, die mal so vorbeischauten, weil sie gehört hatten, Meister H. sei bei uns und male wieder seine Künste an die Wand.
So, jetzt gab es erst mal ein Schnäpschen und noch eins, dann wurde begutachtet, gefachsimpelt, über dies und das plachandert und die Runde wurde immer lustiger, während die Flasche Korn ihren letzten Tropfen hergab.
Dann waren wir wieder allein, und ich dachte gerade: Irgend was muß da noch kommen, da sagte unser Künstler schon: „Was meinst, Dittachen, soll ich noch ’nen schönen Abschluß malen? Weißt, ich hab noch so viel blaue Farb, es wär doch schad um se, na, was meinst?“
Fragend sah er mich an, seine Äuglein glitzerten unternehmenslustig, kramte dann flink in seinen Schablonen, zog eine heraus und meinte: „Die hier ist die Allerschönste, was ganz Schniekes, was ganz Einmaliges, und wenn die Bordür mal fertig is, da werden die Kulleraugches aber rollen!“
Mir wurde es langsam unbehaglich, aber schon wurde die Schablone angesetzt, der Pinsel in die dunkelblaue Farbe getaucht und schwupp-di-wupp über das ausgestanzte Muster gestrichen. - Und was kam da zum Vorschein? - Pflaumen, nichts als Pflaumen, dick, rund und glänzend und soo blau! Staunend schaute ich auf die Wände. Was war doch unser Malerchen ein toller und großer Künstler!
Wir beide standen noch sehr vertieft vor dem Kunstwerk, als die Küchentür klappte und Muttchen auf der Schwelle stand. Ich dachte, jetzt gleich kippt sie uns um. „Erbarmung, die Pflaumen, diese furchbar blauen Pflaumen, sowas Blaues aber auch, nicht zum Hingucken, ich glaub, jetzt brauch ich auch’ nen Schnaps, noch einen und noch einen!“
Beide standen nun ziemlich bedripst vor den Pflaumen und kippten ein Schlubberchen nach dem anderen. Schnell hatte sich der Künstler von der Nichtachtung seines Werkes erholt und meinte dann: „Na, sehen Se doch nur, Frau Meester, jetzt werden die Pflaumkes immer schöner und schöner. Und jetzt noch e Kornche und dann sind se noch schöner. Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an, Madamche“, packte seine Sachen zusammen und war verschwunden. Seine Arbeit war ja nun getan, aber Muttchen war ziemlich verstört; kam das nun von den Pflaumen oder vom Kornche?
In mir hatte aber unser Meister H. eine große Bewunderin gefunden! Lange konnte meine Mutter nicht mehr mit den Pflaumen in der Küche zusammenarbeiten. Also Meister H. mußte wieder her.
Diesmal wurde alles genau besprochen und festgelegt und eine neue Farbe ausgesucht. Hellgrün wollte Muttchen den Anstrich haben. Untere Wand etwas dunkler, dann in Brusthöhe eine weiße Bordüre, und zur Decke hin ein helleres Grün. „So, so, hm - ein weißes Band, so durch das ganze Küchche? So weiß und nuscht drauf? Hm, hm“, murmelte er vor sich hin, er fühlte sich unverstanden und langsam und unlustig ging er zu seinen Farbtöpfen.
Ich schaute vorsichtig um die Verandaecke und sah ihn in der Küche verschwinden, ich schnell hinterher. Er tat mir so richtig leid, daß er seine Künste nicht austoben sollte. „Ah, Marjellche, du kommst mir grad recht“, seine Augen funkelten schon wieder so verschmitzt, „guck doch mal, das weiße Streifche da, findst das schön so? So nackt sieht’s aus, das schreit ja förmlich nach’m Farbche! Was meinst, machen wir diesmal rote Johannisbeeren oder gar Himbeeren drauf? Ne, ne, blaue Pflaumkes, das wär ne Wucht, famos würd’s aussehen!“
Mein je, mir wurde ziemlich koddrig bei dem Gedanken, unser Malerchen träumte schon wieder von seinen blauen Pflaumen, die hatte ja inzwischen schon fast jede Küche in unserer Kleinstadt.
„Könnten wir nichts anderes draufmalen“, fragte ich zögernd, „aber was Besonderes müßte es schon sein, denn Muttchen soll sich doch diesmal drüber freuen.“
„Hm, hast ja recht, Marjellchen“, sagte er bedächtig, „muß mal genau überlegen, über Nacht wird mir schon was einfallen.“
Am drauffolgenden Mittag, als ich aus der Schule kam, wartete der große Meister schon auf mich. „Gick mal, hier hab ich noch son schönes Schablonche, sie ist nicht mehr so schnieke, aber ... na, was meinst?“ Aufmunternd sah er mich dabei an. „Ich mal die gelben Margeriten, und du machst die roten Punktches in die Mitte, ist das was? Wir brauchen nur noch so’n gewisses I-Tüpfelchen, daß deine Mutter sich ganz dolle freun kann. Mich würden ja die blauen Pflaumkes freun, na ja, geht ja nun woll doch nicht, obwohl die da prima reinpassen würd’n, schon wegen dem schönen Farbche. Können wir aber nich machen, denn sonst bedriemelt sich ja deine Mutter wieder, das kann ich nicht zulassen. Ne, ne, dat geiht nich. Ich vertrag ja e Stiefelche, aber für Frau Meester gehört sich das nicht, also malen wir die gelbe Blumches mit die rote Punktches“, seufzte er, und fing mit seiner Malerei an. Ich machte fleißig mit, es machte famosen Spaß.
Große Zwischenräume waren entstanden von einer Blume zur anderen, mir wurde schon ganz mulmig zumute: was jetzt wohl wieder passieren würde? Der Schalk saß ihm schon wieder im Genick, ich sah es ganz genau.
Und da passierte es auch schon. Der Meister nahm doch eine Gänsepoot aus der Hosentasche, tunkte sie flink in orange-rote Farbe, und haste nicht gesehen, drückte er doch diese Gänsepoot zwischen die Margeriten!
Ich war baff vor Staunen, was war das doll, einfach eine Wucht! Gänsepfoten zwischen Margeriten, das war absolute Krönung.
Wir lachten und lachten, und hatten bei der gemeinsamen Arbeit meine Mutter total vergessen. Plötzlich fiel sie mir ein. Was würde sie wohl dazu sagen, ob sie sich diesmal freuen würde?
Ja, von wegen, Muttchen konnte eigentlich viel vertragen, aber das war nun doch zuviel. Als sie diese Überraschung sah, fiel sie einfach in Ohnmacht, gerade Opa in die Arme, der ja nun das Kunstwerk auch bestaunen wollte. „Was mußt du auch in Ohnmacht fallen, machst uns allen Angst, du kannst doch deine Freude anders ausdrücken“, lachte er und zwinkerte Maler H. verschmitzt zu, holte aus seiner Fupp ein Quartierche hervor und meinte: „Prost Nachbar, so’ne großartige Malerei muß man mit einem Kornche würdigen, also dann prost!“
„Daß du ja den Mund hältst und keinem was davon sagst, man muß sich ja schämen, und du machst noch dabei mit“, jammerte Muttchen und sah mich strafend an.
Schuldbewußt sah ich auf meine Schuhspitzen und war sehr verlegen, denn eigentlich wollte ich die neu gemalte und so wunderschön gewordene Bordüre Ernstche, dem Berliner Kind, zeigen. Der hatte zu Hause so was bestimmt nicht, auch wenn er immer behauptete, daß in Berlin alles viel besser, größer und viel schöner wäre. So’n Angeber! Nu wurd’s aber nuscht, so’n Schiet aber auch! Aber irgendeine Familienfeier kam ja bald, dann würden alle es sehen und bestaunen, dieses grandiose Kunstwerk.
Und tatsächlich, alle Besucher waren sich einig: Maler H. hatte in unserer Küche sein Meisterwerk hinterlassen.
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