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Das köstlichste Gut eines Volkes

 
     
 
Allein in Deutschland und in Großbritannien sterben wegen fehlender Fürsorge und an Schlägen zwei Kinder, in Frankreich sind es drei Kinder, in Japan vier, in den USA 27 - pro Woche! Die Zahlen sind erschreckend: Jährlich werden mehr als 220 Millionen Mädchen und Jungen unter 18 Jahre sexuell mißbraucht. Weltweit sind mehr als eine Million Kinder in Gefängnissen eingesperrt. Diese Zahlen ermittelte die erste UN-Studie zu Gewalt gegen Kinder, die Unicef vorstellte. Auch wenn die Gesellschaft durch Fälle wie die der verhungerten Jessica in Hamburg und des mißhandelten und ermordeten Kevin in Bremen inzwischen sensibilisiert ist, gilt es doch dahingehend zu wirken, daß Gewalt gegen Kinder nicht akzeptiert wird.

Dem Thema Kind hat sich jetzt eine Ausstellung im Schweinfurter Museum Georg Schäfer zugewandt, allerdings nur aus dem Grund, den reichen Museumsbestand zu präsentieren
. Dennoch wirft diese Ausstellung den Blick auf das wohl Wertvollste, was ein Volk, was eine Gesellschaft besitzt: die Kinder. "Mit den Kindern muß man zart und freundlich verkehren. Das Familienleben ist das beste Band", hatte sogar schon der Eiserne Kanzler Otto von Bismarck erkannt.

Der Besucher der Schweinfurter Ausstellung wird ein breites Spektrum von Kinderbildnissen und Alltagsszenen entdecken: herausgeputzte Bürgerkinder, dressierte Schulkinder, wütende Sprößlinge, aber auch milde lächelnde, spielende Kinder wie auch arbeitende Kinder. "Große Namen der Malerei und Grapik des späten 18. bis frühen 20. Jahrhunderts erwarten den Besucher, darunter Ludwig Richter, Johann Georg von Dillis, Ferdinand Waldmüller, Johann Sperl, Franz von Lenbach, Max Liebermann und Heinrich Zille", so die Ausstellungsmacher. "Daß der Blick des Künstlers und der der wenigen Künstlerinnen auf die Welt des Kindes ein spezieller ist, der weit über den des Erwachsenen, Erziehers, Vaters, Ernährers und Zeitzeugen hinausgeht, läßt sich in der einzigartigen Auswahl von rund 40 Gemälden und 50 Zeichnungen aus dem reichen Bestand des Museums erfahren."

Im Mittelpunkt der Ausstellung wie auch auf dem Plakat steht ein Gemälde von Lovis Corinth, das dieser 1913 von seiner Tochter Wilhelmine schuf. In ihrer Biographie "Ich habe einen Lovis, keinen Vater" (Frankfurt / Main, 1992) schilderte sie, wie es dazu kam: "Dann erinnere ich mich an ein Bild, worüber ich mich noch heute wirklich amüsiere. Es heißt ,Wilhelmine im Trachtenkleid (1913). Lovis hat es in St. Ulrich im Grödnertal gemalt. Wir mach-ten dort Ferien. Auch von Mutti gibt es ein Bild im Trachtenkleid, ,Tirolerin mit Katze (1913). Es ist ganz ähnlich und das hat einen Grund. Sie hatte es sich bestellt, es war handgearbeitet, und ich war restlos begeistert. Das Mieder wurde mit Goldschnüren und Goldknöpfen geschlossen. Genau-so ein Trachtenkleid wollte ich partout auch haben. ,Du sollst es haben, aber du darfst nicht unge-duldig sein. Wir bestellen es bei der Schneiderin. Nur muß sie erst Maß nehmen, und dann muß sie es nähen. Ich weiß noch genau, wie Mutti beschwörend auf mich einredete. Das hat mir später bei meinen eigenen Kindern in ähnli-chen Situationen geholfen. Denn damals habe ich zwar genau ver-standen, daß das Trachtenkleid nicht sofort fertig sein würde, daß man es erst würde nähen müssen. Aber ich wollte es jetzt und so-fort. Ich brüllte wie am Spieß, warf mich auf die Erde, trampelte mit den Beinen. Kurz: Ich war außer Rand und Band. Nachträglich bewundere ich meine Eltern für ihre Geduld. Irgendwann war das Kleid fertig. Und Lovis hat mich darin gemalt. Heute amüsiere ich mich, wenn ich diese blitzenden Kinderaugen sehe, die Lovis im Bild festgehalten hat. Übrigens, ,Haue habe ich nie bekommen."

Vier Jahre war sie damals alt, als der Vater sie malte. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn bereits als Baby wurde sie von Corinth mit Pinsel und Farbe festgehalten, wie auch Bruder Thomas, den der Meister immer wieder einmal darstellte. "Im Gegensatz zum verwandten Bildmotiv ,Wilhelmine mit Ball aus den Jahr 1915 faßt Corinth das Kinderantlitz in lebensnaher Natürlichkeit auf, unterstrichen durch die Widergabe des schulterlangen offenen Haares. Wilhelmine wirkt so durchaus wie ein Kind unserer Tage", erläutert Sigrid Bertuleit im Begleitheft zur Ausstellung, das der Besucher kostenlos erhält und mit dem er anhand ausgewählter Kurzbeschreibungen einen Rundgang durch die Ausstellung machen kann. Einfallsreich.

Die Ausstellung "Kinder! Bildnisse und Genreszenen - Gemälde und Arbeiten auf Papier aus dem Museumsbestand" ist im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, Eintritt 7 / 6 Euro, bis 4. März 2007, Arbeiten auf Papier bis 14. Januar 2007.

Foto: Lovis Corinth: Wilhelmine im Trachtenkleid (Öl, 1913). Corinth malte das Bild seiner Tochter, die damals vier Jahre alt war, während eines Ferienaufenthalts in St. Ulrich im Grödnertal. (Museum Georg Schäfer)
 
     
     
 
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