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Der Baron von Steinau -

 
     
 
Ich bin der Baron von Steinau, verkündete er laut von der Pferdestalltür aus, damit es ja auch niemand überhörte. Die anderen Leute und mein Vater ließen ihm die Freude. Der Baron hieß wirklich mit Familiennamen "Baron", was er stolz in seinen Papieren vorweisen konnte. Daß der Baron zwei Dörfer weiter in dem Ort "Steinau" zu Hause war, stimmte auch. "Warum lacht ihr, ist doch alles in Ordnung", meinte er. Sie lachten auch nicht über den Namen, sondern über den Mann selbst. Heute würde man sagen, er hatte nicht alle beisammen.

Die Geschichte trug sich etwa 1880 zu. Weil der Baron gut zu den Pferden war und auch gesund und kräftig, behielt mein Vater ihn. Als er sich so nach einem halben Jahr gut eingelebt und auch gut geführt hatte, trat er an meinen Vater mit einem ganz besonderen Wunsch heran. "Sie kennen doch hier Land und Leute, und ich möchte doch auch nicht immer Knecht bleiben, ja und da dachte ich …" Weiter kam er nicht, bis mein Vater dann sagte: "Ich kann doch nicht wissen, was du denkst!" Da nahm sich unser Baron zusammen und sagte: "Ich bin doch ein ganz tüchtiger Bauer und heiraten möchte ich auch, da dachte ich, daß Sie für mich eine Frau mit einem Hof wüßten und für mich ein gutes Wort einlegen könnten." Das war ein schwieriger Satz, und der Kopf des Heiratskandidaten war krebsrot geworden. "Tja, da muß ich mal überlegen." – Nach einer kleinen Pause sagte mein Vater: "Aber du hast doch gar nichts Vornehmes anzuziehen." – "Doch", antwortete der Baron, "ich habe in Steinau noch einen großen Karton, in welchem ein Anzug mit Hemd und Schlips und sogar Halbschuhe drin sind." Und dann sagte er etwas kleinlauter: "Ich habe die Sachen von einem verstorbenen Onkel geerbt." – "Wenn du Lust hast", sagte mein Vater darauf, "ich tue für dich, was ich kann! Ich weiß eine Stelle, wo die einzige Tochter einen Bauern braucht. Es ist kein Staatshof, aber immerhin, es ließe sich etwas daraus machen."

Der Vater hatte an die Familie Weiß gedacht, die auf dem Abbau wohnte. Dem Baron konnte es nun nicht schnell genug gehen. "Heute abend hole ich die Sachen", sagte er, "und am Sonntag gehen wir zur Familie Weiß mit Tochter Emilie." Eigentlich ging das dem Vater zu schnell, er hätte den Weißens gerne vorher Bescheid gesagt, daß er mit einem Freier zu ihnen komme, aber dazu war nun keine Zeit mehr.

Am Sonntag nachmittag zogen die beiden dann los. Der Baron in dem sauberen Anzug war nun wirklich ein forscher Mann. Die Knöpfe hatte meine Mutter noch versetzt, so daß die Jacke paßte, nur die Hose war etwas zu kurz. "Das ist nicht entscheidend", meinte mein Vater.

Ich, als Junge von acht Jahren, kannte den Hof und hatte ungefähr mitbekommen, worum es ging. Neugierig war ich natürlich auch. Ich gab an, ich wolle den ausgestopften Wolf und die Eule sehen, die es dort gab. Nach einigem Zögern durfte ich mitgehen. Während ich durch alle Pfützen patschte, ging unser Hochzeiter immer an der Wegkante, um seine Schuhe sauber zu halten, was ihm aber doch nicht gelang. Schließlich gelangten wir zu dem Anwesen der Familie Weiß. Ich sage absichtlich nicht "Haus", weil es so ein Zwischending zwischen Haus, Stall und Scheune war. Der Hund Nero begrüßte uns mit einem Schwanzwedeln, ohne zu bellen, so daß wir ziemlich plötzlich in das Haus eintraten. Einiges Federvieh gab uns den Weg frei. Frau Weiß, die gerade die Wohnküche mit Sand ausgestreut hatte, wollte den Raum, der mit Ziegeln ausgelegt war, mit dem Strauchbesen ausfegen. Freudig überrascht kam sie auf uns zu.

"Welch eine Überraschung, schön, daß ihr kommt, wir kriegen so selten Besuch", sprudelte sie uns entgegen!

Frau Weiß fegte mit der Hand über den Tisch, warf etwas weg und wischte mit der Schürze nach. "Ich bringe euch gleich was zu essen. Und was für schenen Besuch du mitgebracht hast!"

Unterdes war auch der Gottlieb gekommen und begrüßte seinen Besuch mit echter masurischer Herzlichkeit. Mein Vater stellte seinen Gast vor, den der Weiß noch nicht kannte. Frau Weiß brachte dann auch bald einige Kaffee
töpfe, einen großen, weißen Topf mit Butter und ein Weißbrot auf den Tisch, das zum Glück auf einem Kuchenbrett lag. Wir wurden zum Zulangen aufgefordert.

Unser Baron sah sich überall prüfend um, und als der Weiß merkte, daß der Gast in den Stall gehen wollte, gingen dann alle Mann gemeinsam das Viehzeug besichtigen. Doll ist das ja nicht, dachte der Baron, aber man wäre doch selbständig. Als alle wieder in der Stube waren, brachte der Bauer Weiß eine Flasche Schnaps und Gläser hervor, und die drei begannen zu trinken. Bei dem Schnaps löste sich dann auch die Zunge unseres Hochzeiters. Ich weiß nicht, was er alles sagte, nur daß er das größte Wort führte, wie man so sagt.

"Ja", meinte mein Vater, "auf dem Feld ist um diese Zeit sowieso nichts zu sehen, aber wo ist denn eure Emilie?" Den Grund des Besuches hatte natürlich niemand erwähnt; obwohl alle wußten, worum es ging. Die Emilie, ja wo war die nur, die müßte doch längst fertig sein. – Die Emilie hatte, als sie den forschen Mann sah, in ihrer Kammer das beste Kleid ausgesucht, die Schuhe geputzt und das Haar möglichst schön geflochten. Sogar eine Halskette hatte die Emilie umgelegt, die sie mal von dem fahrenden Händler "Moses" gekauft hatte.

Und nun stand die Emilie in ihrer Kammer und beobachtete ihren Freier durch eine nicht ganz dichte Stelle ihrer Kammertür. Anfangs gefiel er ihr, aber als die Männer da so ihren Schnaps tranken und der Baron das große Wort führte und sein Grinsen aufsetzte, wurde sie nachdenklich. Das Grinsen störte sie am meisten. Dem Weiß gefiel sein zukünftiger Schwiegersohn, und er wollte gleich Nägel mit Köpfen machen. Er ging in die Kammer zu seiner Tochter und holte sie heraus an den Tisch. "Nun trinkt mal zusammen einen und dann geht spazieren. Ihr werdet euch schon aneinander gewöhnen!"

Gesagt, getan, die beiden gingen. So ganz harmonisch ist der Ausflug dann aber doch nicht verlaufen. Anscheinend überschätzten sie beide ihre Chancen. Die Emilie meinte, daß sie mit einem Hof doch eine gute Partie sei, und der Baron von Steinau kam sich mit seinem Anzug so schön und unwiderstehlich vor, daß die beiden, wie die Bauern gehofft hatten, sich nicht einig wurden. Es war nun auch an der Zeit, nach Hause zu gehen.

"Die Welt geht weiter, und das Vieh muß gefüttert werden. Man soll nichts übers Knie brechen", meinte Frau Weiß, die gemerkt hatte, wie es um ihre Tochter stand. Man ging also auseinander.

Als der Besuch fort war und Mutter und Tochter sich ausgesprochen hatten, sagte die Mutter: "Min Döchting, nemm em nich, dem Kerl, wenn he die nich häbbe well." "Unser Baron", so erzählte der Vater, "bleibt uns also vorläufig erhalten."

 
     
     
 
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