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Diese Dreibastigkeit aber auch immer! Laß das Schwadronieren, setz dich vernünftig hin und mach den Teller leer", sagt die Mutter scheinbar ärgerlich. Sie will zum Weden auf den Acker und fürchtet, es könnte noch schwaddern. Der Himmel hat sich duster bezogen. Sie sieht, wie ihre Tochter mit langen Zähnen kaut. "Gnatsch nicht so", meint sie. Von wem die Marjell wohl das Kankotsche hat?
Die Zehnjährige war ganz aufgeruschelt aus der Schule gekommen. Wie immer viel zu spät. Auf dem Rummelplatz waren die ersten Buden aufgebaut worden, und ein Karussell stand auch schon. Da brauchte man ein paar Dittchen, und sie hatte versucht, das der Mutter begreiflich zu machen: sie würde auch beim Kartoffellesen helfen und überhaupt würde sie fleißiger werden, denn, zitiert sie die Mutter, "aus einem Pracher wird nie ein Herr". So hatte sie eine Weile jongliert, bis es der Mutter zu bunt wurde.
Die holt jetzt das Brot vor und säbelt sich zwei Kluften runter. Nicht solche Fibelblätter, wie ihre Tochter sie gern hat. Das Brot war klitschig. Das hatte sie schon beim Anteigen geahnt, daß es zusammenfallen würde. Der Sommer war verregnet und der Roggen verkeimt. Blau hatte sie sich geärgert. Nun noch Speck drauf und Mostrich. Der Mensch braucht was in den Magen, damit er nicht aus den Schlorren kippt. Sie gießt den lauen Plemperkaffee in die Emaillekrucke und macht den Pungel zurecht, der mit aufs Feld soll. Sie muß aber auch hier und da und dorten sein. Sie war zwar noch nicht klabastrig, hatte aber schon mal das Reißen in den Knochen. Schließlich ist sie nicht solch eine Madame Bräsig wie Minna, die immer von einem zum anderen gondelte.
Endlich ist sie fertig und geht. An der Tür dreht sie sich noch einmal um und trägt dem Gnos auf, nach dem Ofen zu sehen. Wenn man nicht ständig in ihm rührt, brennt er leicht aus. "Und knobel dir nicht wieder was Neues aus", ermahnt sie das Kind. Innerlich muß sie aber doch schmunzeln. Worauf dieser Pomuchelskopf aber auch nicht alles kommt! Der schmettert jetzt sein Lieblingslied von der lieben Laurenzia mein, wie sie hört, ehe sie den Hof verläßt.
Nun, man konnte sich sein Schicksal nicht aussuchen, sinniert sie beim Gehen vor sich hin, das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock. Konnte ja auch nicht jeder die Flöhe husten hören wie Lina, die sich nicht das Schwarze unterm Nagel gönnte, fast in Koddern ging, bei anderen aber reinhaute wie ein Scheunendrescher und der es dort schmeckte, als hätte sie es verdient. Und wie sie immer rumfuhrwerkte! Rein mit der Angst konnte man es kriegen. Und wie der Hof bei denen aussah! Vollgekrasselt bis dorthinaus. Man sah, daß Wilhelm, was der Mann von Lina war, die Hände auch nicht gern aus der Fupp nahm.
Während die Mutter sich über das Unkraut hermacht, beeilt sich das Kind mit seinen Schularbeiten. Draußen sind schon die gniddernden Freundinnen zu hören, und die Frage wird laut, was man spielen soll. Nun: "Wir fahren nach Jerusalem und wer kommt mit?" Danke für Backobst. Sie will auf den Rummelplatz. Bestimmt kommt einer mit. Und der Ofen? Der ist längst ausgebrannt. Sie würde andere Seiten aufziehen, hatte die Mutter gedroht, als sie gestern sich geweigert hatte, im Dustern nach Holz zu gehen und, daran wäre noch keiner gestorben. Aber wenn kein Singen und kein Beten half, ging sie eben, auch wenn sie sich schrecklich graulte. Vielleicht würde sie ja doch vor Angst sterben, dann würde die Mutter schon sehen, was sie davon hatte. Den Mutzkopf jedenfalls hatte sie nicht verdient. Warum mußte sie aber auch manchmal so bockig sein. Anstatt von der Schule nach Hause zu peesen, trieb sie sich erst rum und flunkerte der Mutter irgendwas vor. Nu aber Schluß mit den griesen Gedanken. Mit Karacho die Hefte vom Tisch und ab zu den anderen Kindern nach draußen, die schon am Bretterzaun warten. n
Mein langer Weg zu mir - Tagebuch eines Frauenlebens ist der Titel eines Buches von Christel Bethke (484 Seiten, brosch., 21 E, zu beziehen über die Autorin, Gotthelfstraße 7, 26131 Oldenburg |
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