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Der unbekannte Vater

 
     
 
Es gibt nur wenige Männer, deren historische Rolle so umstritten ist wie die von Albert Speer. War er "nur" Hitlers Architekt und später Rüstungsminister oder war er aktiv an den Verbrechen des Unrechtsregimes beteiligt. "Wenn ich es hätte wissen wollen, hätte ich es wissen können", bereute der 1966 nach 20 Jahren Haft entlassene verurteilte Kriegsverbrecher.

Margret Nissen, viertes der sechs Kinder des auf seine Umwelt beeindruckend wirkenden Ex-Ministers
, hat in "Sind Sie die Tochter Speer?" ihre Erinnerungen niedergeschrieben. Das nun als Taschenbuch erhältliche Buch macht deutlich, wie die Tochter unter der Vergangenheit ihres Vaters gelitten hat. Im Gegensatz zu anderen Kindern der Protagonisten des Dritten Reiches ist sie jedoch nie in ein Extrem verfallen. Weder hat sie ihren Väter gehaßt, noch versuchte sie, ihn zu rechtfertigen.

Häufig reagierte das Umfeld von Margret Nissen sensibel auf die Information, daß sie die Tochter von Albert Speer ist. Während ihres Frankreichaustausches als Schülerin wurde sie allerdings von ihrem Gastvater aus dem Haus geworfen, als dessen Tochter unbedacht erwähnte, wer die Deutsche ist.

Was für ein Mensch der Mann, der ihr Vater ist, wirklich war, hat die Autorin selber nie erfahren. Erst war er aufgrund seines beruflichen Engagements nur selten daheim, danach saß er zwei Jahrzehnte in Haft, und später war sie als vierfache Mutter und verheiratete Frau nicht mehr in der Lage, sich dem Mann zu nähern. Die Erinnerungen, die sie an die Begegnungen und den Briefverkehr mit ihrem Vater hat, hat sie in ihrem Buch festgehalten. Auch wenn es nicht allzu viel ist, so bekommt der Leser zumindest einen Eindruck von der Beziehung Albert Speers zu seiner Familie.

"Schmal, grau und ganz schüchtern wirkte er. Nach 20 Jahren Weltabgeschiedenheit in Spandau - zuletzt waren sie nur noch drei Gefangene dort gewesen -, seinen einsamen Spaziergängen im Gefängnisgarten muß es für ihn verstörend gewesen sein, auf so viele Menschen zu treffen und andauernd mit ihnen zusammenzusein."

Da in der Familie nie über die Rolle des Vaters oder gar den Grund seiner Verurteilung in den Nürnberger Prozessen gesprochen wurde, fällt es Margret Nissen selbst schwer, viele Dinge zu erklären. Es bleiben nur die Fragmente ihrer Jugend, die ihr in der Erinnerung geblieben sind und die sie der Öffentlichkeit in ihrem Buch mitgeteilt hat. Fritz Hegelmann

Margret Nissen: "Sind Sie die Tochter Speer?", Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2007, broschiert, 222 Seiten, 8
 
     
     
 
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