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Von Kraukau bis Danzig - Eine Reise durch die deutsch-polnische Geschichte“ ist ein sehr sachlich geschriebenes Geschichtsbuch, welches vermutlich trotzdem bei vielen Lesern einen Sturm von Emotionen auslösen wird. Bei der Lektüre von Thomas Urbans Städteberichten war ich jedenfalls über meine eigene Reaktion überrascht. Wie kann ein Geschichtsbuch, was sehr nüchtern Fakten und Zahlen nennt, solch eine Wirkung erzielen?
Das Buch beschäftigt sich mit der Geschichte der Städte Krakau, Posen, Breslau, Kattowitz , Lodz, Warschau und Danzig. Alle Städte haben im Laufe der Jahrhunderte ständig zwischen polnischer und deutscher Herrschaft gewechselt, und beide Nationen haben die Entwicklung und die Geschichte dieser Orte entscheidend geprägt. Neben den Polen und den Deutschen bewohnten auch viele Juden diese sieben Städte. Die Juden schlossen sich häufig mit den Deutschen zu einer Interessengruppe gegen die Polen zusammen und setzten so häufig ihre gemeinsamen Belange durch.
Der Autor erwähnt wichtige geschichtliche Ereignisse, von denen einige kaum in großen Bevölkerungskreisen bekannt sein dürften. So bedauert er, daß das Wissen über den zweiten Warschauer Aufstand nur gering verbreitet sei. Die meisten Menschen seien nur über den Aufstand der Juden im Jahre 1943 im Warschauer Getto informiert, daß aber die polnischen Einwohner Warschaus sich gegen die deutschen Besatzer und die herannahenden Kommunisten im August 1944 erhoben, sei vielen unbekannt. Auch sei die Tatsache, daß Krakau bis ins 17. Jahrhundert Polens Hauptstadt war, vielen fremd.
„Für die nichtdeutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, daß es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich und fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich.“ Dies ist ein Zitat Heinrich Himmlers zum Thema Bildungspolitik im Osten und ist für mich zugleich eine der schrecklichsten Quellen, obwohl hier nicht von Toten die Rede ist, denn die gab es bei den in Jahrhunderten regelmäßig auftretenden Konfrontationen zwischen Polen und Deutschen zur Genüge.
Wenn man die jeweils ungefähr fünfzig Seiten liest, die von einer der sieben Städte erzählen, nimmt man eine kontinuierliche Steigerung der Grausamkeiten wahr. Und es sind gerade die nüchtern genannten Zahlen und Belege, die alles schrecklich wirken lassen. Der Autor nimmt dabei keine Nation in Schutz, und er macht nur durch die Nennung von Fakten deutlich, daß im Laufe der Jahrhunderte allen Parteien unsagbares Unrecht widerfahren ist und es nur eine Frage ist, wer jeweils an der Macht war.
Wer sich für die deutsch-polnische Geschichte interessiert, sollte auf die Lektüre dieses Werkes nicht verzichten, doch ist es nur für Leser mit einer weniger zartbesaiteten Seele zu empfehlen, da der Autor keine Rücksicht auf Gefühle nimmt. Fritz Hegelmann
Thomas Urban: „Von Krakau bis Danzig - Eine Reise durch die deutsch-polnische Geschichte“. Verlag C. H. Beck, München, 2000. 352 Seiten, 44 Abbildungen, 2 farbige Karten. ISBN 3-406-46766-0. Preis: 48,- DM / 24,50 Euro.
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