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Die Erforschung der Familienunternehmen und des Mittelstandes ist ein blinder Fleck in der Wissenschaft. So wie die überregionalen Zeitungen und Magazine sich fast ausschließlich für die börsennotierten Dax-Unternehmen interessieren, geraten kleine und mittlere Unternehmen selten in den Fokus der Forscher. Eine Ausnahme ist das Institut für Familienunternehmen, das der Privaten Universität Witten-Herdecke angeschlossen ist. Mit seinem neuen Buch "Die Einflußreichen. Henkel , Otto und Co. - Wer in Deutschland Geld und Macht hat" stößt der Wirtschaftsjournalist Ulrich Viehöver also in eine Marktlücke. Der Autor hat bereits mit seiner kritischen Biographie des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking 2003 für einige Furore gesorgt. Der flott formulierende Viehöver ist ein bekennender, aber nicht apologetischer Fan von Familienunternehmen. Das macht er schon in seiner Einleitung deutlich, in der er mit der Konzernfixiertheit der Politiker ins Gericht geht: "Der wahre Reichtum an Firmen gerät hierzulande aus dem Blickfeld. Einseitig beherrschen börsennotierte, anonyme Kapitalgesellschaften und ihre (angestellten) Topmanager ungestört das Feld. Dabei haben sie kaum noch Erfolge vorzuweisen. Über ihre Schwächen kann auch das täglich verwirrende, weil widersprüchlich inszenierte Börsengeschehen nicht mehr hinwegtäuschen. Leider lassen sich viele Politiker bereitwillig von den tonangebenden Konzernen und ihren geschmeidigen Lobbyisten um den Finger wickeln ... Gerade Aktiengesellschaften bauen jetzt Stellen ab und vernichten durch ihr verheerendes Mißmanagement Milliardenwerte."
Viehöver positioniert sich völlig anders als zum Beispiel Wolfgang Münchau, der in seinem neuen Buch über "Das Ende der Sozialen Marktwirtschaft" den Mittelstand als "heilige Kuh" und Grund für Deutschlands wirtschaftliche Probleme darstellt. Viehöver ist kein Freund anonymer Kapitalgesellschaften. Er findet es gut, daß in Familienunternehmen die Bindung der Mitarbeiter an die Firma stärker ausgeprägt ist. Wer über Jahrzehnte die eigene Selbständigkeit zäh verteidigt hat, folgt nicht so leicht den Moden und Beratertrends oder erliegt gar der Hetzjagd hysterischer Spekulanten. Die Firmenpolitik ist langfristiger angelegt und auf Sicherheit ausgerichtet. Viele Chefs von inhabergeführten Unternehmen empfinden es als persönliche Niederlage, wenn sie ihre Leute entlassen müssen. Doch anders als in den USA ist es in Deutschland nicht Sitte, daß die teilweise superreichen Angehörigen eines Familienunternehmens mit Geld, Vermögen und Macht öffentlich protzen. Viehöver lüftet ein wenig den Vorhang und schaut, was sich hinter den Namen Merckle, Boehringer, Beisheim, Mohn, Henkel, Sal. Oppenheim oder Otto verbirgt. Vielleicht ziehen die genannten Unternehmen ihre Stärke aber auch daraus, daß sie nicht täglich die Spalten der Zeitungen füllen und Schlagzeilen produzieren: "Selbstverständlich ist in Familienbetrieben nicht alles Gold, was glänzt, weshalb auch die negativen Seiten in diesem Buch angesprochen werden. Dennoch, alles zusammen - Ausdauer, Einigkeit und Verantwortungsbewußtsein - scheint ein dauerhaft wirksames Rezept gegen lästige Heuschrecken und Vampire, die anonyme Gesellschaften überfallen und am Ende nur Leere zurücklassen."
Das Wittener Institut für Familienunternehmen stützt viele der Thesen, die Viehöver in journalistischer und anekdotenhafter Weise in sein Buch einstreut. Familienunternehmen sind zunächst einmal anders, da eine Familie den bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung der Geschäfte nimmt. Sie sind erfolgreicher, weil für eine Familie im Zweifelsfall gilt: "Das Unternehmen geht vor." So gilt bei den Merckles, die von A wie Arznei bis Z wie Zement so ziemlich alles herstellen, der Spruch: "Unsere Firma ist unsere Familie." Familienunternehmen sind nach Erkenntnissen der Forscher langlebiger, unternehmerischer, familiärer, potentiell intelligenter, aber auch beratungsresistenter. Zudem sind sie dadurch besonders gefährdet, daß Familienstreitigkeiten, Vertrauensverlust, enttäuschte Bindungen oder Gefühle verratener Loyalität dramatisch auf das Unternehmen durchschlagen können. Manche Familienunternehmen unterschätzen auch die Risiken, denen sie täglich ausgesetzt sind, meint der Vorstandschef der Gothaer Versicherung, Werner Görg.
Wer sich als Familienunternehmer selbst überschätzt und vor Risiken die Augen verschließt, der erleidet nicht nur persönlich Schiffbruch. Er setzt auch das Werk von Generationen in den Sand.
Ulrich Viehöver: "Die Einflußreichen. Henkel, Otto und Co. - Wer in Deutschland Geld und Macht hat", Campus Verlag, Frankfurt 2006, 324 Seiten, 24,90 Euro 5580 |
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